Fix und forty: Roman (German Edition)
Aber ich wollte nicht reden. Ich wollte für immer schweigen. Ich saß mit meinen gebrochenen Knochen und meiner Katze und meinem großen Stapel Aufsätze auf der Couch und korrigierte, als wäre nicht gerade meine Welt zusammengebrochen. Doch beim Korrigieren verteilte ich exzellente Noten und positive Kommentare. »Super Einleitungssatz! Sehr spannend!«, »Liegt es an mir oder ist das der beste Aufsatz, den Sie je geschrieben haben?« »Ich war schon bei Seit Anbeginn der Zeit völlig von den Socken!«
Schritt sieben: Den Boden mit dem Hintern schrubben
Weil das Haus am See eine Dreiviertelstunde außerhalb der Stadt lag, bekam ich nicht viel Besuch. Seltsamerweise störte mich die Isolation nicht. All meine Erwachsenenjahre war ich ein Stadtmensch gewesen, und ich war überrascht, dass ich hier am Ende der Welt in einem großen leeren Haus am See keine Angst bekam. In diesem Jahr gab es starke Schneefälle. Dicke, große Flocken versanken im See wie Worte in der Erinnerung, schwer und unwiderruflich. Auch als meine gebrochenen Knochen weit genug verheilt waren, dass ich auf dem Hintern die Treppe herunterrutschen konnte, hatte meine mühsame Fortbewegung im Haus etwas Beruhigendes und Friedliches an sich. Ich mochte die bewusste Art, wie ich die Treppen überwand, mich darauf konzentrierte, nicht zu tief zu atmen, die Schulter vorgezogen, um das Schlüsselbein zu schonen. Roscoe, meine Katze, folgte mir auf leisen Tatzen überallhin, als bräuchte ich einen Zeugen.
Schritt acht: Unbesonnene Anschaffungen
Im Geiste des Feng-Shui-Buchs verbrannte ich alle Briefe und Karten von Nick. Ich löschte all seine Dateien von meinem Computer, vor allem die Fotos männlicher Genitalien, die er auf Gay.com gepostet hatte. In dieser Hinsicht, liebe Leserinnen und Leser, fiel mir das Loslassen nicht schwer. Ich blätterte jedes alte Album durch und entfernte alle Fotos von ihm. Diese steckte ich eilig in einen Briefumschlag, den ich, bevor ich es mir anders überlegen konnte, an eine Chicagoer Adresse schickte.
Nick war immer gegen gerahmte Fotos von geliebten Menschen in der Wohnung gewesen, weil er solche Schaustücke für kitschig, billig und sentimental hielt. Das einzige Foto, das ich aufhängen durfte, war ein albernes kleines Bild von mir und Lola aus Kindertagen. Jetzt aber sah ich klar und deutlich einen Weg, wie ich meine Unabhängigkeit demonstrieren konnte. Ich schrieb an Hannah und meine Mutter und bat sie um Abzüge alter Familienfotos.
Etwa zur gleichen Zeit wurden ein paar meiner Gedichte in der Zeitschrift Poetry veröffentlicht. Im Gegensatz zu den meisten Literatur-Zeitschriften erhielt man bei Poetry tatsächlich ein Honorar. Ich wusste, ich hätte das Geld direkt auf mein Sparkonto einzahlen oder damit die Arztrechnungen bezahlen sollen, die meine Versicherung nicht übernahm. Doch das tat ich nicht. Stattdessen ließ ich eines der alten Fotos vergrößern und für teures Geld rahmen. Es ist ein alter schwarz-weißer Schnappschuss von 1949, auf dem meine Mutter und ihre Schwestern in einer langen Reihe stehen, alle in den gleichen weißen Blusen und dunklen Röcken der Mennoniten, die Arme einander um die Taille geschlungen. Die sieben Mädchen sehen wie typische Loewens aus, mit runden natürlichen Gesichtern, das breite Lächeln so frisch wie Hüttenkäse. Wie die Orgelpfeifen stehen sie da, nach Alter geordnet. Meine Mutter, die Jüngste, steht ganz links neben einer blühenden Herbstrose.
Der mennonitischen Bescheidenheit zum Trotz hatte sich meine Mutter eine winzige weiße Schleife ins Haar gebunden. Keine ihrer älteren Schwestern trug eine Schleife. Nur meine Mutter. Ich sah mir das Foto lange an und fragte mich, ob die Eitelkeit, für die diese kleine weiße Schleife stand, sich genetisch auf mich übertragen hatte. Ich hatte den flachen Hintern, das dicke Haar, die starken Knochen geerbt – warum nicht auch die Sehnsucht danach, hübsch zu sein? Die Schleife war ein aufschlussreiches Accessoire, das besagte: Es hatte eine Zeit gegeben, als meiner Mutter ihr Aussehen wichtig gewesen war. Als sie fesch sein, auffallen wollte, und sei es nur für einen Tag. Meine Geschwister und ich hatten uns über die Jahre mit den Rollen abgefunden, die uns in der Familiendynamik unweigerlich zugefallen waren. Aaron war der Schlaue, Caleb der Sportliche, Hannah die Kluge und ich die Eitle. Ich war die, die sich mit albernen Details aufhielt. Als kleines Mädchen wusste ich natürlich noch nicht, dass
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