Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhoda Janzen
Vom Netzwerk:
wirken zwischen all den Partien, die mit Botox behandelt wurden, wie zwei Kinder, die aus einem leeren Haus herausgucken. Die Welt dieser Frau ist ständig geschrumpft und hat heute die Größe eines Martini-Glases erreicht. Das Einzige, worüber sie nach all der Zeit reden will, ist, wie schlecht ihr Mann sie vor zwei Jahrzehnten behandelt hat. Und er hat sie schlecht behandelt, keine Frage. Doch ihr Exmann hat die letzten zweiundzwanzig Jahre damit verbracht zu lernen, sich zu verändern und menschlich zu wachsen. Er ist spät ein guter Vater und ein liebender Partner geworden, während sie sich immer wieder eine lähmende Injektion nach der anderen in die gleiche Falte spritzen ließ, immer und immer wieder. Gibt es keinen anderen Weg, eine Trennung zu verarbeiten, als durch die Linse unserer eigenen Opferhaltung und Wut?
    Ich erinnere mich an eine traurige Selbstmordgeschichte aus der Sonntagsschule. Ein Mann namens Ahitophel gab König David einen guten Rat, den dieser ignorierte. Ahitophel war ein hohes Tier unter den politischen Beratern, eine Art Condoleezza Rice des Königs. Und er hatte eine Enkelin, die eine echte Sexbombe war und nackt sogar noch besser aussah als bekleidet. Die scharfe Enkelin hieß Bathseba. Ahitophels Rat an den König lautete: Eure Hoheit, lasst die Finger von Bathseba. Und P.S., murkst bloß nicht Bathsebas Ehemann ab, nur damit ihr sie rumpeln könnt. König David wägte diesen Rat sorgfältig ab, doch weil er König war, entschied er, ihn zu ignorieren. Ein politisches Verhaltensmuster, das sich bis heute gelegentlich bei den Präsidenten großer kapitalistischer Staaten beobachten lässt.
    Auf der einen Seite stand das Wort eines Beraters, der sich über die Jahre als vertrauenswürdig erwiesen hatte. Auf der anderen Seite stand Bathsebas wirklich anziehendes Hinterteil. Nachdem König David seine Wahl getroffen hatte, schmiedete Ahitophel einen verzweifelten, doch wirkungslosen Plan, ihn mit eigenen Händen zu töten. Was dann kam, können wir uns denken: Ja, manchmal gehen Militärputsche nach hinten los. Als sein Vorhaben, den König zu stürzen, scheiterte, ging Ahitophel nach Hause, räumte auf und erhängte sich.
    Und hier kommt die Pointe. Mehrfach heißt es, dass Ahitophel ein göttlicher Berater war. »Er redete, als wäre es Gottes Wort.« Doch wie konnte ein göttlicher Berater auf Mord und Verrat sinnen, selbst wenn er allen Grund dazu hatte? Selbst wenn er verletzt war und um seine geliebte Enkelin trauerte?
    Ich glaube, die Frage lässt sich am besten mit einer Gegenfrage beantworten: Wer weiß? Wer weiß, wie wir zugleich gut und schlecht, verletzt und verletzend sein können? Die Antwort ist, es weiß keiner von uns. Das Einzige, worauf wir uns einigen können, ist die Tatsache, dass sich die Conditio humana durch ein wildes Schwanken zwischen Ruchlosigkeit und Altruismus auszeichnet, zwischen Grausamkeit und Güte. Im einen Moment öffnen wir unser Herz und unseren Geldbeutel, um Hurrikan-Opfern zu helfen, im nächsten foltern wir Kriegsgefangene und lachen mit unseren Freunden über die Fotos. Natürlich verdienen wir es, ins Gefängnis zu gehen, wenn wir mit unseren bösen Taten das Gesetz brechen oder die Rechte anderer verletzen, und sei es nur, um die Leute vor unseren Schandtaten zu schützen. Doch meistens brechen wir mit unseren bösen Taten nicht einmal das Gesetz. Denn der Großteil der Verletzungen, die wir anrichten, ist ganz legal: Betrug, Verrat, Untreue. Und da selbst der Tugendhafteste unter uns Dinge tut, die moralisch nicht bewertbar sind: Wie wäre es, wenn wir uns darauf einigen, die Leute so zu lassen, wie sie sind, da wir sie ohnehin nicht ändern können? Früher dachte ich, dass tugendhafte Menschen – Nonnen zum Beispiel, oder sogar meine Mutter – eine Art darwinistischen Gegensatz zu Kinderschändern und Serienmördern bilden. Ich nahm an, dass Nonnen einen genetischen Geschenkkorb voll vorbestimmter Güte mit auf den Weg bekamen, so wie andere mit einer natürlichen Gabe zum Kohlezeichnen gesegnet sind. Die Sterne würden dann dafür sorgen, dass das Milieu das Seine tat. Wäre meine Mutter ebenso liebevoll, wenn sie nicht in einer schlichten Gemeinde aufgewachsen wäre, unschuldig und abgeschottet? Und Nonnen haben Gott weiß nicht viel Ablenkung in ihren Klöstern, wo läuternde Rituale die Welt der Versuchung reinwaschen.
    Aber inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Tugend kein vorbestimmter Charakterzug ist. Sie ist

Weitere Kostenlose Bücher