Fix und forty: Roman (German Edition)
erfolgreichen Syntaxanalyse der Verfassung abhängen würde, dann kämen Sie zu mir, Schätzchen.
Diesmal aber ging es nicht nur darum, einem Kollegen zuliebe grammatikalische Fehler zu korrigieren. Ich wurde bezahlt , um den Text auf Logik, Klarheit, Prägnanz und Entwicklung zu prüfen – was aus drei Gründen eine harte Nuss war: Erstens, der Autor konnte besser recherchieren als schreiben. Zweitens, das Italien des fünfzehnten Jahrhunderts war vier Jahrhunderte und einen Kontinent von dem Gebiet meiner eigenen akademischen Expertise entfernt. Drittens, mein Italienisch war eingerostet, und all die Zitate und Fußnoten bremsten mich aus.
Ich arbeitete nicht für Ruhm, ich arbeitete für Cash. Gewöhnlich pflegen Akademiker einen flexiblen, eher subjektiven Umgang mit Abgabeterminen, die sie mehr als Vorschläge und weniger als feste Verpflichtungen ansehen. Diesmal aber hatte ich eine knallharte Frist, die es einzuhalten galt. Netterweise hatten meine Eltern mir versichert, dass ich bei ihnen in aller Ruhe und Ungestörtheit arbeiten konnte. Dafür würden sie garantieren.
Aus diesem Grund war ich gespannt, welche kuriose Geschichte oder Internet-Schlagzeile den herrischen Aufruf meines Vaters rechtfertigte, wo er doch wusste, dass ich arbeitete – mehr noch, dass meine Anwesenheit in seinem Haus einzig von dem elterlichen Versprechen abhing, mich in Ruhe arbeiten zu lassen. Als ich ins Arbeitszimmer meines Vaters kam, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und wirkte ungeheuer zufrieden mit sich. »Schau dir das an!«, verlangte er.
Auf dem Bildschirm war eine elektronische Postkarte zu sehen, ein Weihnachtsgruß passend zu dem Lied »The Twelve Days of Christmas«. Zu hören war die bekannte Melodie. Im nächsten Moment marschierten zwölf Trommler langsam über den Bildschirm. »Was sagst du DAZU?«, wollte mein Vater wissen.
»Oho«, sagte ich. »Toll.«
»Siehst du das?«, fragte er. »Das sind die neun Moriskentänzer!«
Als Nächstes kamen die acht melkenden Mägde mitsamt den ausgelassen hüpfenden animierten Kühen.
»Ist das nicht SÜSS?«, fragte meine Mutter. »Sie haben Euter.«
»Und jetzt kommen die vier singenden Vögel. Pass auf!«, rief mein Vater.
»Dreiii französische Hühner«, sang meine Mutter und gab mir ein Zeichen mit einzustimmen. Sie hielt ihre Hände immer noch hoch, die Unterarme mit Mehl und Teigresten paniert, und ließ zum fröhlichen Viervierteltakt die Hüften schwingen.
»Sehr gut«, sagte Dad mit sichtlicher Genugtuung, als das Rebhuhn und seine Kollegen sich endlich vom Bildschirm getrollt hatten.
Solche väterlichen Aufrufe fanden etwa alle zwanzig Minuten statt. Jedes Mal, wenn der Befehl erklang, legte ich den Stift nieder, um mir Bilder von Regentropfen oder den Schnappschuss eines jungen Eichhörnchens anzusehen, das mit einem Wurf Welpen gestillt wurde. Unvergessen auch die mit Sprichwörtern versehenen Vogelbilder. Würde die westliche Welt nicht viel mehr leisten können, wenn sie sich die Zeit nähme, einen Blick auf die Webseite »Various Birds & Sayings« zu werfen? Nehmen wir zum Beispiel die Großaufnahme einer Trauertaube. Die Taube tut nichts Besonderes, sie sitzt einfach nur auf ihrem Zweig. Der Fotograf hat die Taube in all ihrer herrlichen Nichtigkeit erfasst. Dann hat er das Foto mit einem Schriftzug versehen, der zur Introspektion einlädt: DEIN LEBEN BEGINNT MIT DIESEM AUGENBLICK. Reine Magie!
Am nächsten Morgen dann die Krönung: Meine sehr mennonitische Mutter und ich standen in der Schlange bei Circuit City , einem Elektronikhändler, um zwei Handys zurückzugeben, die meine Eltern eigentlich ins einundzwanzigste Jahrhundert hätten katapultieren sollen. (Meine Eltern waren ohne moderne Errungenschaften wie Elektrizität, Wasserklosetts, Kaffee, Meterware aufgewachsen. Ich könnte die Liste fortsetzen, aber Sie wissen schon, worauf ich hinauswill. Ich, entsetzt: »Willst du mir sagen, ihr habt sogar die Unterhosen aus Mehlsäcken genäht?« Mom: »Nun, es gab Mehlsäcke mit hübschen Blumenmustern! Kleine Kornblumen und Stiefmütterchen! Mir haben sie gefallen!«)
Leider hatte sich mein Vater für das billigste aller Billighandys entschieden, eine Wahl, die unüberbrückbare Schwierigkeiten beim Programmieren nach sich zog. Ich hatte selbst versucht, die Telefone für meine Eltern einzurichten, aber sogar mit einem Radiergummi, einer Lupe und den Anweisungen einer aufgekratzten Mitarbeiterin des Telekommunikationskonzerns namens
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