Fix und forty: Roman (German Edition)
Urin, der einem am Oberschenkel klebt.
Doch ich freue mich, berichten zu können, dass ich mich von den Feuchtgebieten der Schläuche und Beutel vollständig erholt habe. Sechs Monate nach der Ausräum-OP war ich wieder im Fitnessstudio und trabte mit einem ganz neuen Gefühl von Dankbarkeit für meine inneren Rohrleitungen über das Laufband. Während ich früher meine wundersame Fähigkeit zu joggen, ohne mir dabei in die Hose zu machen, für selbstverständlich gehalten hatte, jubelte ich nun im Stillen meiner Blase zu: »Gut gemacht! Bleib am Ball, Süße! Fünf Kilometer noch! Das schaffst du!« Und beim Niesen dachte ich: Bravo! Du hast wahre Exzellenz erreicht, mein freundlicher kleiner Schließmuskel! Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis ich aufhörte, bei jedem Toilettengang das Franziskus-Gebet anzustimmen.
Womit ich sagen will, dass ich angesichts der überraschenden Ereignisse im Jahr des Urinbeutels guten Gewissens davon ausging, ich sei für die nächsten Jahrzehnte vor gesundheitlichen Schäden und traumatischen Ereignissen gefeit.
Wie man sich täuschen kann.
Nick und ich waren vor Kurzem in eine kleine ländliche Gemeinde gezogen, etwa fünfundvierzig Autominuten von meinem Arbeitsplatz entfernt. Zwar verlängerte der Umzug meinen Arbeitsweg erheblich, doch Nick hatte die Leitung der psychiatrischen Station des örtlichen Krankenhauses übernommen und musste in der Nähe sein, um rund um die Uhr für Notfälle bereitzustehen. Mit seinem neuen Job war eine dicke Gehaltserhöhung einhergegangen. Und so kauften wir ein reizendes Haus am See, das ich mir allein nie hätte leisten können. Es war das erste Mal in unserer fünfzehnjährigen Ehe, dass ich auf Nicks finanziellen Beitrag angewiesen war. Bislang hatten wir in der Nähe meines Colleges in einem Fünfzigerjahre-Bungalow im Rancho-Stil gewohnt. An der Bude war jede Menge zu reparieren gewesen, aber dafür hatte ich die gesamte Hypothek und unsere gesamten Lebenshaltungskosten von meinem bescheidenen akademischen Gehalt bestreiten können. Nick, der sich eigentlich zum Künstler berufen fühlte, hatte es nie lange in einem Job ausgehalten, und wenn er mal etwas verdiente, gab er stets seiner Kunst den Vorrang. Ölfarben sind teuer.
Zwei Monate nach dem Umzug in das teure Anwesen am See verließ Nick mich wegen eines Kerls, den er bei Gay.com kennengelernt hatte.
Ich weiß nicht, warum es die Sache noch schlimmer machte, dass der Mann Bob hieß, aber es war so. Bob der Kerl. Von Gay.com. Es ist komisch, wie Sie, wenn Ihr Ehemann Sie wegen eines Kerls namens Bob verlässt, die Erinnerungen an den letzten Sommer zu revidieren beginnen. Die Rolle Ihres Ehemanns während der Höhen und Tiefen Ihrer Genesung erscheint rückblickend in einem ganz neuen Licht. Was Sie letztes Jahr für Zeichen der Zärtlichkeit gehalten hatten, schreiben Sie jetzt seinem schlechten Gewissen zu, sich heimlich mit Kerlen mit großen Schwengeln zu treffen. Was Sie einst als »Ich gebe dir Raum für dich und deine beste Freundin aus Italien« gedeutet hatten, heißt jetzt »flotter Dreier mit Ryan und Daren aus dem Fitnessclub«. Die Wahrheit tut weh, vor allem, wenn man so lange braucht, sie zu erkennen.
Außerdem: Könnte mir bitte mal jemand verraten, warum Ehemänner ihre Frauen scheinbar immer erst dann sitzen lassen, wenn sie eine Krampfader in der Größe eines römischen Aquädukts entwickelt haben? Es ist, als würden die Männer nur auf diese Krampfader warten . Wenn sie uns schon wegen eines Kerls namens Bob verlassen, könnten sie es dann nicht vor der Krampfader tun, solange wir noch jung und schön sind? Und warum nicht gleich vor dem Urinbeutel? Ich möchte mich nicht als Botschafterin aller Frauen aufspielen, die je einen Urinbeutel tragen mussten, während ihre Männer sich verbotenen Affären mit Kerlen namens Bob hingaben. Nichts liegt mir ferner, als für uns alle sprechen zu wollen. Aber ich weiß, dass es mir persönlich lieber gewesen wäre, wenn Nick mich vor dem Urinbeutel verlassen hätte. Den ganzen Urinbeutelsommer hatte ich seine forsche und doch so liebevolle postoperative Pflege dankbar angenommen. Ich fand es wundervoll, wie er ins Zimmer schwebte, über Bücher, Freunde oder Tagespolitik parlierte, während er auf ein Knie ging, um den Urinbeutel in einen Kanister zu entleeren, und die ganze Zeit über Dinge sprach, die nichts mit Urin zu tun hatten, als wäre es überhaupt keine große Sache, den Urin seiner Ehefrau umzufüllen – als
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