FJORD: Thriller (German Edition)
Wahlstrom schnaubte innerlich bei dem Gedanken, dass Magnus Paulsen ihm, sollte sein Konzept aufgehen, wohl auch noch die letzten Gäste von außerhalb, die sich hierher verirrten, abspenstig machen würde.
»Ach, lass mich in Frieden!«, wetterte der Fischer und winkte ab. Seine Geste wirkte unkontrolliert. Er hatte mehr getrunken als sonst.
»Hm«, meinte der Wirt, dem man ein gutes Gespür für Neuigkeiten nachsagte. »War wohl was Besonderes los heute.«
Haugen starrte ihn an. »Was meinst du damit?«
Der Wirt nickte mit dem Kopf zum leeren Glas. »Sieht nach einem guten Fang aus, wenn du dir den Schnaps leisten kannst. Oder macht dir deine Alte wieder die Hölle heiß?« Er zwinkerte vertraulich. Schließlich kannte auch er Haugens dunkelste Geheimnisse.
»Pah!« Haugen knallte das Glas auf den Tresen. »Schenk endlich nach, damit ich diese widerliche Geschichte vergessen kann!«
Wahlstrom schenkte nach, kam näher und stützte sich neugierig mit den Armen auf die Theke. »Widerliche Geschichte? Gibt's etwa neue Matratzengeschichten? Hat’s was mit dem kleinen Luder von nebenan zu tun?«
Amüsiertes, wenn auch leises Gelächter erscholl vom Nebentisch. Sich öffentlich über die Tochter des Bürgermeisters zu äußern, erlaubte man sich nicht im Dorf. Aber hinter vorgehaltener Hand redete die ganze Gemeinde über das Mädchen, das nie genug bekommen konnte.
»Freut euch nur!«, brummte Nils, kramte ein paar Scheine aus der Tasche und warf sie auf die Theke. »Aber damit ist jetzt sowieso Schluss!« Er kippte den letzten Schnaps.
»Schluss? Warum?«, wollte Wahlstrom wissen. »Meinst du, unser junger Stadtheini kann das Luder zähmen?«
»Nee, braucht er nicht mehr«, murmelte Haugen gedankenverloren. »Weil man Tote nämlich nicht mehr zähmen kann!«
Haugen schlug sich vor Schreck auf den Mund und hastete aus der Kneipe. Die Anwesenden starrten ihm entsetzt hinterher. Kaum schloss sich die Tür, setzten wilde Spekulationen ein. Noch vor Tagesende würde so ziemlich jeder im Dorf von der Neuigkeit wissen. Liv Paulsen, die Tochter des Bürgermeisters, war tot. Und wahrscheinlich war sie keines natürlichen Todes gestorben. Wie hätte Nils Haugen sonst vor allen anderen davon wissen können? Hatte er etwas damit zu tun?
Kristian Wahlstrom griff nach dem nächsten Glas und polierte es, während seine Gedanken weite Kreise zogen und zu gewissen Schlussfolgerungen kamen.
12
Es dauerte eine Weile, bis der alte Polizist zurück ins Polizeihaus kam. Tor Einar Hetland hatte sich inzwischen wohl alle Fotos angesehen. Er wirkte sichtlich getroffen und noch fahriger als vorher. Carl Morgan wusste, dass der junge Kollege eine Beziehung zu Liv Paulsen unterhalten hatte, auch wenn er rund fünf Jahre jünger war als sie. Doch ein Jüngling aus der Stadt konnte ihr in seiner schicken Uniform wohl leicht den Kopf verdrehen. Entgegen allen Unkenrufen hielt diese Beziehung sogar seit ein paar Wochen an.
»Was erreicht?«, fragte Hetland aufgeregt.
Morgan schüttelte den Kopf. »Die Kollegen werden frühestens in zwei Tagen hier sein. Der Hubschrauber kann wegen des Nebels nicht fliegen und ein Schiff ist nicht verfügbar. Und am Landweg, zu Fuß – na ja, du weißt ja, die Städter …«
»In zwei Tagen erst? Verdammt!«, rief Hetland verzweifelt. »Dann müssen wir wohl alleine ermitteln!«
»Nur die Ruhe«, meinte Morgan und ließ sich wieder auf den Stuhl plumpsen. Das Cortison hatte mittlerweile seine Wirkung entfaltet, und Carl fühlte sich besser. »Auf zwei Tage kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
Hetland blickte den älteren Kollegen fassungslos an. »Das kann doch nicht dein Ernst sein? Ich kann doch nicht zwei Tage einfach nur dasitzen und drauf warten, dass die Kollegen auftauchen! In der Zwischenzeit könnten längst alle Spuren verwischt und der Mörder auf und davon sein!«
Morgan zuckte die Schultern. »Ich sag's mal so: Wenn jemand aus dem Dorf verschwindet und nicht als Leiche wieder auftaucht, haben wir schon mal den ersten Verdächtigen.«
Hetland schnaubte brüskiert. »So einfach, ja? Na, dir kann's ja egal sein, aber mir nicht! Liv war meine …« Er brach ab und raufte sich die Haare.
»Die Spuren sind längst verwischt«, erwiderte Carl. »Wir können davon ausgehen, dass die Leiche dort nur angespült wurde. Ermordet wurde sie ganz woanders. Und die Fußabdrücke …«
»Und woher willst du das alles so genau wissen?«, fuhr Hetland ihn an.
»Ich hab den Job
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