FJORD: Thriller (German Edition)
Gewitter kaugummikauend und sichtlich unbeeindruckt über sich ergehen ließ. Er drehte sich zu Noah um. »Noah. Was gibt es?«
»Wir müssen reden, Magnus.«
»Moment, ich muss …«
»Nein. Jetzt«, beharrte der Arzt und zog Gunhild mit sich ins nebenan liegende Schlafzimmer.
Magnus drohte dem jungen Mann noch mit dem erhobenen Zeigefinger, verkniff sich aber jede weitere Bemerkung, folgte den beiden und schloss die Tür hinter sich.
»Setzt euch«, verlangte Noah.
Gunhild und Magnus blickten sich erschrocken an, taten aber, was der Arzt verlangte.
»Ich muss euch eine schlimme Nachricht überbringen«, fing Noah zögernd an und ließ insbesondere Gunhild nicht aus den Augen.
»Oh Gott«, flüsterte diese und starrte ihn entsetzt an. »Es geht um Liv, oder? Wo ist sie? Sie ist seit drei Tagen nicht nach Hause gekommen. Wir haben gedacht, sie … irgendwann musste ja mal was Schreckliches passieren. So oft haben wir uns wegen ihres Verschwindens unnütze Sorgen gemacht. Ist sie verletzt? Liegt sie im Krankenhaus? Wo …«
Noah senkte den Kopf. »Wir haben sie vorhin draußen im Fjord gefunden. Sie ist tot. Ermordet. Es tut mir so leid.«
Ein gellender Schrei drang durch die Hotelwände hinaus auf die Straßen und riss wohl auch den jungen Maler aus seiner Lethargie.
14
Tor Einar Hetland hatte darauf bestanden, die Leiche noch vor ihrer Obduktion zu sehen, und so gingen Carl und er ins Haus des Arztes. Überdies war die Forensik in Trondheim für die genaue Untersuchung zuständig, teilte Hetland Carl Morgan unmissverständlich mit – als hätte dieser ein Interesse daran gehabt, Liv in ihre Einzelteile zu zerlegen. Die Todesursache war doch schon auf den Fotos überdeutlich zu erkennen gewesen.
Carl gab sich Mühe, seinen jungen Kollegen zu verstehen. Dies war sein erster Mordfall. Und ausgerechnet seine Freundin lag dort auf dem Tisch in der Kühlkammer. Ihr Körper war mit einem weißen Tuch bedeckt.
Hetlands Blick war starr auf das weiße Leinen gerichtet, das Carl nun am Kopfende anfasste und auf ein Kopfnicken wartete.
»Kein schöner Anblick «, murmelte er. »Bist du sicher, dir das antun zu wollen? Es ist mit Sicherheit Liv.«
Tor nickte stumm.
Carl atmete tief durch und zog das Tuch beiseite. Tor Einars Blick fiel sofort auf den deformierten Hals und Hinterkopf. Reglos starrte er sie an. Kein Wort, keine Geste. Keine Mimik. Beinahe fünf Minuten. Dann drehte er sich um und verließ mit erhobenem Kopf und festen Schrittes den Raum.
Kopfschüttelnd blickte Carl ihm nach. Er war bereits einige Reaktionen gewöhnt, doch diese gefiel ihm nicht. Sie machte ihn unberechenbar.
15
»Oh mein Gott! Was hast du denn angerichtet?« Verärgert blickte Ann Christin in die Einkaufstaschen, die Odin wortlos auf den Tisch in der Küche gestellt hatte. Er stand mit dem Rücken zu ihr und räumte Lebensmittel in den Kühlschrank.
»Wie schafft man so was? Das Mehl … die Dosen … was hast du mit dem Salat gemacht? Fußball gespielt? Das kann ich alles wegschmeißen!«
Sie sortierte aus, was nicht mehr zu verwenden war. Odin reagierte nicht. Ann Christin registrierte es, nachdem sie lautstark den Mülleimerdeckel zugeworfen hatte. Wenn sie etwas nicht vertragen konnte, dann war es Missachtung.
»Verdammt, ich rede mit dir!« Wütend ging sie um den Tisch herum. »Mit Erik kannst du solche Spielchen vielleicht treiben, aber wenn es nach mir ginge …« Noch während ihres Redeschwalls riss sie Odin an der Schulter herum. Erschrocken hielt sie inne. »Oh mein Gott … was ist denn mit dir passiert?« Ein lädiertes, zerschlagenes und von halbtrockenem Blut verschmiertes Gesicht blickte ihr entgegen, nur die fast zugequollenen Augen wichen ihr aus. »Hast du dich geprügelt? Wieso?«
Odin Dahl lachte kurz und hart auf. »Ist einfach, oder? So einen Sündenbock im Haus zu haben. Lass mich einfach in Ruhe!«
Er wollte sich an ihr vorbeischieben, doch Ann Christin versperrte ihm den Weg. Sie musterte die Verletzungen. Auch wenn sie den Freund ihres Mannes nicht mochte, entsprach es nicht ihrer Natur, jemandem ihre Hilfe zu verweigern.
»Das muss versorgt werden«, entschied sie. »Komm mit ins Bad. Ich möchte fertig sein, bevor Jan oder die Kleine dich so zu Gesicht bekommen.«
Widerwillig folgte Odin. Auf dem Weg dorthin trafen sie auf Sigrid, die bei Odins Anblick erschrocken die Hand auf den Mund schlug. Ann Christin bedeutete ihr zu schweigen, damit die
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