FJORD: Thriller (German Edition)
spürte er einen scharfen Schmerz in der Handfläche. »Au! Verdammt!«
»Hast du dir wehgetan?«, fragte die Kleine angstvoll.
»Nicht schlimm, Aurora, bin nur abgerutscht. Ein kleiner Splitter oder so was.« Erik kroch weiter. Gleich mussten diese Säcke vor ihm liegen. Da hinüber zu kommen, würde ein hartes Stück Arbeit bedeuten.
»Splitter hab ich auch schon gehabt. Mama holt dann eine Primzeppe und zieht ihn raus. Tut auch gar nicht weh. Und dann krieg ich ein Eis oder Bonbon, weil ich so tapfer war.«
»Ja, du bist ein ganz tapferes Mädchen, Aurora«, versicherte Erik und unterdrückte ein Stöhnen, als er den großen Sack ertastete. Er zog sich daran hoch. Die Masse gab zwar nach, unterstützte seine Bemühungen letztendlich aber doch.
»Onkel Erik?«
»Ja, meine Kleine?«
»Ich hab Durst.«
Erik hatte es geschafft, sich wie zuvor über den Sack zu rollen und tastete sich weiter, diesmal vorsichtiger. Er wollte nicht noch weitere Verletzungen riskieren. »Ich weiß, meine Kleine. Sobald wir hier raus sind, bekommst du eine Limo von mir, ja?«
»Darf ich auch eine Cola haben?«
Erik musste lächeln, auch wenn dies den Schmerz in seinem Schädel noch verstärkte. »Wenn wir hier raus sind, bekommst du von mir, was du willst.«
Plötzlich endete der Raum mit einer weiteren Wand. Hier drin war es viel enger, als Erik gedacht hätte. Beim Erkunden der Fläche stieß er auf einen Vorsprung, den er bald darauf als Tür identifiziert hatte. Sie ließ sich jedoch nicht öffnen. Das, was er für den Verschluss hielt, schien blockiert zu sein. Er nahm all seine Kraft zusammen und rüttelte am Griff, doch er rührte sich keinen Millimeter. Wieder und wieder riss Erik daran, doch es half nichts. Als wäre das verdammte Ding festgeschweißt worden.
Mit dem ansteigenden Puls wurde das Hämmern in seinem Schädel unerträglich. Von außen drang kein Luftzug in den Raum. Jemand hatte sie absichtlich hier eingeschlossen. Und dieser Jemand hatte ihn niedergeschlagen. Ein düsterer Gedanke zuckte durch sein Bewusstsein: Was, wenn der Sauerstoff bald knapp werden würde? Sie mussten raus, und das möglichst schnell.
»Okay, dann komme ich jetzt mal zu dir zurück«, sagte Erik. Noch während er sich umdrehte, fühlte er seine Sinne schwinden.
32
Kaum dass es hell geworden war, raffte sich Ann Christin auf und ging auf wackeligen Beinen zur Polizeiwache. Erik war nicht aufzufinden. Sie brauchte Antworten. Viele andere trieb es ebenfalls zeitig aus dem Bett. Das halbe Dorf war auf den Beinen. Jeden, den sie unterwegs traf, fragte sie nach Erik und Aurora. Doch niemand hatte die beiden gesehen.
Zu ihrer Überraschung traf sie in der Wache auf Carl Morgan.
»Hallo, Carl«, begrüßte sie den Polizisten a. D., der hinter dem Schreibtisch saß und gerade den Telefonhörer auflegte. »Hast du Neuigkeiten? Habt ihr was von den Suchtrupps gehört? Kommt bald Verstärkung? Ich … wir alle machen uns schreckliche Sorgen. Es ist so furchtbar …«
Es dauerte einen Moment, ehe Morgan reagierte. Ann Christin musterte ihn genauer. Er schien wieder getrunken zu haben. Einerseits verstand sie es, aber andererseits war es unverantwortlich in der derzeitigen Situation. Jeder wurde jetzt gebraucht!
»Nein, nichts Neues«, murmelte er abwesend.
»Hast du Erik gesehen?«, fragte Ann Christin nervös. »Er ist noch nicht nach Hause gekommen.«
Carl rieb sich die Bartstoppeln. »Hab ihn heute noch nicht gesehen. Vielleicht ist er davongelaufen.«
»Davongelaufen?«, wiederholte Ann Christin fassungslos. »Was meinst du damit?«
Carl zuckte die Schultern und blickte sie mit glasigen Augen an. »Würde ich verstehen. Bei den Beweisen gegen ihn …«
»Was?« Ann Christin musterte ihn genauer. Er musste mehr getrunken haben, als ihm gut tat. Ärgerlich fuhr sie ihn an: »Verdammt, Carl, was redest du da? Komm zu dir! Wir brauchen jetzt jede Unterstützung!«
Statt einer Antwort winkte er ab, nahm zwei Tabletten aus der auf dem Tisch liegenden Pillenschachtel und griff zur halbleeren Flasche, die neben ihm auf dem Tisch stand, um die Medikamente hinunterzuspülen.
»Weißt du dann wenigstens, wo Tor Einar ist?«, fragte sie Carl.
»Hetland? Ich kann ihn nicht erreichen. Vielleicht ist er auch abgehauen? War wohl zu viel für ihn.«
Ann Christin begriff, dass sie hier nichts erreichen konnte, und verließ die Polizeiwache mit lautem Türknallen.
33
Erik konnte nur vermuten, wie lange die
Weitere Kostenlose Bücher