Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
FJORD: Thriller (German Edition)

FJORD: Thriller (German Edition)

Titel: FJORD: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halvar Beck
Vom Netzwerk:
ihm, als habe sie die Gefahr gesucht. Und ihr vorlautes Mundwerk hatte im Laufe der Jahre nur an Erfahrung gewonnen. Kaum in der Pubertät, verdrehte sie den Jungs und Männern in Kongesanger die Köpfe. Und hatte sie ihren Willen nicht bekommen, lief sie weg. Versteckte sich und amüsierte sich darüber, dass alle nach ihr suchten. Bis irgendwann auch die Eltern einsehen mussten, dass Liv nicht zu halten war und sie nicht mehr jedes Mal die Polizei zu Hilfe rufen konnten. 
    Carl … Noah seufzte noch einmal tief und laut. Wo steckte er nur? Vermutlich mit einer Flasche Schnaps in seiner Wohnung. Betrunken. Schlafend. Zugedröhnt von den Schlaftabletten, die er ihm widerwillig verschrieben hatte. Von Erinnerungen geplagt. Ohne Emma an seiner Seite, die ihm all die Jahre ein Halt gewesen war, auch wenn es nach außen hin gewirkt hatte, als wäre Carl der Starke gewesen. Ohne Emma war er fast hilflos, auch wenn er es niemals zugegeben hätte. Seit Emmas Tod trank er viel zu viel, kam nicht mehr zur Vorsorgeuntersuchung und zog sich immer mehr aus der Gemeinschaft zurück. 
    Müde verließ Noah die Wache. Er war alt und spürte sein schwaches Herz. Dies hier war zu viel für ihn. Er brauchte Erholung. Doch Noah ging zurück ins Hotel und kümmerte sich um seine Patienten. Leise betete er, dass sich endlich ein Nachfolger für ihn finden würde. 
     
     

35
    Die Luft wurde stickiger. Von Minute zu Minute fiel es Erik schwerer, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Nur die Sorge um das Kind ließ ihn die Hoffnung nicht aufgeben. Wieder und wieder schlug er mit der flachen Hand gegen die Wand, die ihm mit ohrenbetäubendem Wummern antwortete.
    Aurora gab nur noch selten einen Laut von sich. Sie schien zu schlafen. Erik tastete alle paar Minuten nach ihrem Puls, jedes Mal erleichtert, wenn er ihn spürte. Und jedes Mal ängstlicher, wenn er danach suchte.
     

36
    Als Odin Dahl den Brand bemerkte, flüchtete er kopflos. Zwar hatte er bei Eriks Schock sein Möglichstes gegeben, um dem Freund und dessen Familie in der Not beizustehen – so wie auch Erik ihm in seiner schlimmsten Zeit zur Seite gestanden hatte. Aber Odin musste sich eingestehen, dass seine Kraft nicht einmal ausreichte, sich selbst zu helfen. Als Junkie und Dealer in Oslo musste er mitansehen, wie sein bester Freund an einem Schock starb, der von einer Überdosis Heroin ausgelöst worden war. Odin hatte nicht viele Freunde und Erik zählte definitiv dazu. Er war fast wie ein Vater. Nun hatte er auch ihn in diesem Zustand gesehen. Zu viele furchtbare Erinnerungen waren in ihm hochgekommen. Längst glaubte er, sie erfolgreich verdrängt zu haben, aber einmal emporgestiegen, ließen sie sich nicht mehr zurückdrängen. Er sah nur noch eine Möglichkeit, ihnen zu entkommen. 
    Er hastete unbemerkt Richtung Hafen. Um ihn scherte sich hier sowieso niemand. Er war ein Fremder, man munkelte von seinen Drogenproblemen, doch niemand sprach ihn darauf an. Odin hielt die ach-so-tolle Dorfgemeinschaft in Kongesanger für ein verlogenes Märchen, eine heile Welt, die es nicht gab. Dann wurde dieses junge Ding ermordet. Liv. Die Tochter des Bürgermeisters. Hatte sich kein bisschen verändert. Kaum war er drei Tage in Eriks Haus gewesen, hatte sie ihn abgepasst. Fragte ihn, ob er nicht Lust auf ein Abenteuer hätte. Odin blieb auf Distanz. Nicht weil sie ihm nicht gefiel oder er ihretwegen Skrupel gehabt hätte. Nein, er wollte seinen Freund nicht in Verlegenheit bringen, indem er die nächstbeste Göre in sein – Eriks – Bett holte. Diese Freundschaft war ihm viel zu wichtig.
    Odin verdrängte den Gedanken. Nun, wo das Malen kaum noch Sinn machte, wo die Bäckerei brannte und Erik ihm nicht mehr helfen konnte, wo die Familie selbst kein Obdach mehr hatte – wo sollte er hin? Was sollte aus ihm werden, nach allem, was vorgefallen war? Angst kroch ihm den Nacken hoch und jagte ihn weiter.
    Er kannte inzwischen die Stellen, an denen sich nie jemand aufhielt. Hier fühlte er sich sicher, hier war sein Versteck. Er hatte es sich bereits vor Wochen eingerichtet. So sehr er Eriks Hilfe auch schätzte, Ann Christins misstrauische Blicke und Vorwürfe waren für ihn nur schwer zu ertragen. Sie ließ ihn auch keine Sekunde mit Jan alleine im Haus, obwohl der Junge öfter seine Gesellschaft suchte und Odin den kleinen Knirps mochte. 
    Auch zum Malen gab es bei Erik keine Gelegenheit. In seinem kleinen Zimmer, das nicht viel mehr als eine umgebaute Abstellkammer war, fehlte

Weitere Kostenlose Bücher