FJORD: Thriller (German Edition)
Axt oder so. Ann Christin versuchte, die aufsteigenden Bilder und das Würgegefühl zurückzudrängen. Mühsam suchte sie nach anderen Gedanken. Aber immer wieder kreisten sie um Liv – und plötzlich durchzog sie ein furchtbarer Gedanke: Was, wenn Aurora die Nächste auf der Liste war? Wenn sie in die Fänge des Mörders geraten war? Was, wenn es den Schwarzen Mann wirklich gab?
31
Benommen versuchte Erik, sich in der Dunkelheit zu orientieren. Er musste wieder kurz bewusstlos gewesen sein. Aurora kauerte sich an ihn. Er atmete auf. Zumindest das Kind hatte er gefunden und es schien ihm gut zu gehen. Nun mussten sie nur noch hier herauskommen.
»Aurora? Nicht erschrecken, ja? Ich setz mich jetzt mal gerade hin.« Er schob das Mädchen beiseite und zog die Knie weiter an den Körper, stemmte die Füße auf und die Hände auf den Boden. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Der Druck trieb ihm Tränen in die Augen. Unter Aufbietung aller Kräfte schaffte er es, sich ganz aufzusetzen. Keuchend lehnte er sich an die Wand, die ebenso hart und kalt war wie der Boden. Aurora kroch zu ihm und krallte sich an ihm fest.
»Ist schon gut, meine Kleine, schon gut … sch…« Abwesend strich er ihr über den Kopf.
Plötzlich huschte ihm etwas über die Füße. Instinktiv zog er die Beine näher an sich heran, hielt den Atem an und lauschte. Nichts. Nichts außer Auroras leisem Atmen. Er blies die Luft wieder aus. Vermutlich war es besser, nicht weiter darüber nachzudenken. Es gab Wichtigeres.
Eine Weile blieb Erik so sitzen und sammelte Kraft. Der Schmerz betäubte seine Sinne. Mühsam erstellte er in seinen Gedanken eine Liste, die er abarbeiten konnte. Einen Punkt nach dem anderen. Zu mehr war er nicht fähig. Er konnte und wollte sich jetzt nicht mit der Frage beschäftigen, wer ihm das aus welchem Grund angetan hatte. Er musste sich auf das Wichtigste konzentrieren. Und das war Aurora. Er musste das Kind hier herausbringen.
Wie lange waren sie schon hier? Erik überlegte. Als er in das Wrack gestiegen war, wurde die Kleine schon einen halben Tag lang vermisst. Wenn auch nur ein paar Stunden vergangen waren, war sie womöglich bald in Lebensgefahr. Sie brauchte dringend Wasser. Wenn er nur etwas sehen könnte! In diesem Verlies herrschte absolute Dunkelheit. Das nahm er zumindest an. Erik hoffte, dass ihm nach seinem Erinnerungsvermögen nicht auch noch der Sehsinn abhanden gekommen war.
Erik beschloss, den Raum auszukundschaften. Vielleicht fand er etwas, das ihm von Nutzen sein konnte. Um eine Tür aufzubrechen, die es hier irgendwo geben musste. Oder sich zumindest bemerkbar zu machen. Der Schall musste nach draußen dringen können, immerhin hatte er Aurora auf diese Weise entdeckt. Kopfschmerzen. Vage erinnerte er sich, einen heftigen Schlag auf den Kopf bekommen zu haben.
»Aurora?«, sprach er das Kind noch einmal leise an. »Ich will jetzt versuchen, uns hier herauszubringen, ja? Aber dafür muss ich noch mal zurück. Ich möchte, dass du hier sitzenbleibst. In Ordnung?«
»Nicht gehen, Onkel Erik. Bitte nicht!«, wimmerte die Kleine und klammerte sich fest an seinen Oberarm.
Erik atmete tief durch und schob sie dann entschlossen weg. »Aurora, es muss sein!« Er überlegte. »Pass auf, ich werde dir einfach erzählen, was ich gerade mache. Dann hörst du meine Stimme und weißt, wo ich bin. Einverstanden?«
Er hörte einen leisen Laut der Zustimmung und kämpfte den Schmerz zurück. »Gut. Also, ich geh jetzt auf die Knie und krieche dann auf allen vieren vorwärts.«
So leicht es sich anhörte, so schwer war es für Erik, das Gesagte umzusetzen. Er zog die Beine an und ließ sich einfach nach vorne fallen. Doch alleine sein Gewicht abzufangen, verlangte ihm mehr Kraft ab, als er aufbringen konnte. Seine Ellbogen knickten haltlos weg und er schlug mit dem Gesicht auf den harten Boden. Angewidert schmeckte er den öligen Bodenbelag auf der Zunge und spuckte das undefinierbare Zeugs aus. »Nichts passiert, Kleine, bin nur mit der Nase auf den Boden gestoßen.« Er versuchte, seiner Stimme einen lustigen Klang zu geben. »Wie ein Hund, weißt du? Ich nehme jetzt die Fährte auf.«
Ein leises, kaum hörbares Kichern erfüllte ganz kurz den Raum und gab Erik neue Kraft. »So, ich taste jetzt mal den Boden um mich herum ab. Mal sehen, ob wir was Brauchbares finden …« Doch nichts in Eriks Reichweite schien noch irgendeinen sinnvollen Zweck zu erfüllen. Plötzlich
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