Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
Vom Netzwerk:
Weihrauch und Kerzen roch. An der Ecke, wo Flachskopf saß, hatte der Deckel ein Loch, und sobald Flachskopf dies bemerkte, schob er hinter seinem Rücken die Finger hinein und tastete. Donnerwetter! Lauter Kerzenstummel!
    Das Loch war gerade hinter seinem Rücken. Er zog, so gut es ging, den Rand seiner Jacke darüber und holte vorsichtig einen Kerzenstummel nach dem andern mit den Fingern heraus, stopfte sie in seine Hosentasche und betrachtete inzwischen mit andächtigen Unschuldsaugen die Knaben vor sich. Er glaubte, daß es keiner bemerkte, aber als er heimlich alle diese Gesichter flüchtig musterte, sah er, daß Petik Lange, der am äußersten Ende der ersten Bank saß, ihn scharf beobachtete und jede seiner Bewegungen mit vielsagenden Blicken verfolgte. Petik nickte verstohlen zum Zeichen seines Einverständnisses. Das paßte Flachskopf gar nicht in den Kram. Dieser duckmäuserige Petik mußte die Nase auch überall drin haben! Aber um sich den ganzen Spaß nicht verderben zu lassen, streckte er hinter seinem Rücken zwei Finger in die Höhe, zum Zeichen, daß Petik zwei Kerzenstummel bekommen würde, wenn er seinen Mund hielte.
    Petik sah die zwei Finger und las in Flachskopfs Augen, daß er Angst hatte, verklatscht zu werden. Er antwortete also, indem er fünf Finger in die Höhe hielt, und gab durch kräftiges Kopfnicken zu verstehen, daß er sich mit weniger nicht zufrieden geben würde. Flachskopf versuchte es noch einmal mit vier Fingern, aber Petik war unerbittlich und gab nicht nach. Einverstanden, nickte Flachskopf mit einem falschen Blick. Niemand hatte ihr stummes Zwiegespräch bemerkt.
    Dann wurden noch einige Fragen gestellt über die Sakramente, über die Sünden, und endlich sagte der Pfarrer:
    »In meinem Kirschbaum sitzen Spatzen. Ich nehme das Gewehr und schieße und töte einen Menschen, der im Baum sitzt... Ist das Sünde? ... Wer es weiß, bekommt zwanzig Pfennige .«
    Einstimmig antworteten alle: »Nein, Herr Pfarrer .« Denn die Frage wurde jedesmal wiederholt und gehörte zu den Feinheiten im Religionsunterricht des Pfarrers. Aber auf die Antwort seiner Schüler entgegnete er mit keiner Silbe, sondern betrachtete hold lächelnd die jungen Gesichter vor sich. Sie wußten also nicht mit Sicherheit, ob es Sünde war oder nicht, dachten übrigens auch nur an die Pfennige, die damit zu verdienen wären, ohne das geringste Interesse für den Mann im Kirschbaum. Sünde oder nicht, die zwanzig Pfennige erhielt jedesmal Tjenne Weks, mit dem Auftrag, für die ganze Gesellschaft Plätzchen dafür zu kaufen. Flachskopf, der gerne einmal die zwanzig Pfennige für sich allein bekommen hätte, hatte eines Tages geantwortet: »Jawohl, Herr Pfarrer, es ist Sünde .« Pfarrer Münze hatte ihn daraufhin mit seinem Regenschirm an die Beine geschlagen, es mußte demnach doch keine Sünde sein. Als dieser Mann im Kirschbaum zum ersten Mal im Religionsunterricht aufgetaucht war, da hatte Flachskopf seinen Vater um Auskunft darüber gebeten. Dieser hatte ihn gleich mit scharfen Blicken angesehen und war sofort in den Garten gerannt, um nachzusehen, ob der Bengel vielleicht irgendeinen Baum beschädigt hätte. Flachskopf hatte später oft mit einem Stock oder einem Stein in die Kirschbäume geworfen, aber bis jetzt war noch nie ein Mensch herausgefallen.
    Flachskopf war gerade dabei, Gesichter zu schneiden, um Locke und Tjeef zum Lachen zu bringen, als der Pfarrer das Kreuzzeichen machte, die Augen wieder schloß und sagte: »Vater Unser« und »Gegrüßt seist du«. Nach dem Gebet verließen die Knaben reihenweise die Kirche, hinter Tjenne Weks, der die zwanzig Pfennige des Pfarrers in der Hand hielt. Zusammen zogen sie zu Theres Bonne, wo Tjenne schwarze Plätzchen kaufte, vier Stück für einen Pfennig. Zu dritt standen sie am Ladentisch und paßten auf, daß Theres nicht mogelte...

Wie Flachskopf die Wassersucht bekam

    F ompe hatte am Tage vorher geflucht, und der Lehrer hatte es gerade gehört. Er hatte den jungen Sünder verprügelt, ihn dann im Strafzimmer eingeschlossen und nach Schulschluß dabehalten, damit er das ganze Kapitel der Samariterin abschriebe. Dann gab er ihm noch ein Briefchen mit, damit auch sein Vater von dieser Missetat unterrichtet wäre, in der Hoffnung, daß Pompes Vater seinen Sohn auch noch einmal übers Knie legen würde. Fompe hatte das Briefchen unterwegs selber gelesen und es so gefährlich für seine persönliche Sicherheit gefunden, daß er es in tausend Stücke zerrissen

Weitere Kostenlose Bücher