Flachskopf
steckst, d... da bekommst du die Wa... Wa... Wassersucht«, holte eine kleine runde Zwiebel aus seiner Hosentasche und zeigte sie Dries.
»Ist das auch wirklich wahr ?«
»Ei gewiß ,« bestätigte Flachskopf, »das habe ich schon hunderttausendmal gehört... ich will verrecken, wenns nicht wahr ist.«
Dries nahm die Zwiebel und wandte sein Gesicht dem Lehrer zu. Er zog sein Hemd über dem Gürtel etwas in die Höhe und schob sie in die linke Achselhöhle. Dann drückte er den Arm fest an seinen Körper, um bald die erhoffte Wassersucht zu bekommen und nach Hause gehn zu dürfen.
Flachskopf hatte unter der Bank etwas gesucht. Als er wieder heraufkam, flüsterte er Tjeef ins Ohr:
»Tjeef, schau mal unter die Bank, Driesens Hemdzipfel hängt aus seiner Hose .«
Tjeef guckte auch nach. Wahrhaftig, um die Zwiebel unter den Arm zu stecken, hatte Dries das Hemd hochgeschoben, und nun hing es feierlich hinten herunter. Tjeef mußte sich auf die Lippen beißen, um nicht laut zu lachen.
»Es si-sieht aus wie ein Spüllappen«, stotterte er.
Alle Knaben, die Dries sehen konnten, amüsierten sich köstlich, und ein heimliches Kichern summte durch den Schulraum. Sie paßten aber gut auf, daß Dries es nicht merkte, um möglichst lange ihren Spaß dran zu haben. »Dries ,« fragte Flachskopf mit ernster Miene, »kommt die Wassersucht noch nicht?«
»Ich spüre noch nichts ,« flüsterte Dries, »mein Mund ist noch pulvertrocken.«
»Du mußt ver-verdammt Geduld haben !« sagte Tjeef.
Dries saß da wie eine dumme Ziege, er merkte wohl, daß die anderen sich über ihn lustig machten, aber er glaubte in seiner Unschuld, es wäre deswegen, weil er sich mit dieser Zwiebel krank machen wollte. An sein Hemd dachte er mit keiner Silbe.
Aber das gedämpfte Lachen und Kichern störte den Lehrer in seinen ernsten Gedanken. Sollte er denn bei diesen Bengeln nie einen Augenblick Ruhe haben? Sein Blick ging unbemerkt über die Köpfe, erst zu Fompe, ob der vielleicht wieder die Zehe durch die Bank gesteckt hatte... Nein, Fompe bohrte in seiner Nase herum und schien seinen ganzen Verstand dazu nötig zu haben. Der Lehrer merkte, daß es irgendwo in der Nähe von Tjeef und Flachskopf sein mußte. Er schritt scheinbar gleichgültig durch den Schulraum, — und ja, jetzt sah er den Hemdzipfel auch hängen. Wütend sprang er hin und versetzte Dries eine schallende Ohrfeige. Dries sprang erschrocken auf und warf beide Arme in die Höhe, um seine Ohren zu schützen; die Zwiebel rutschte aus seiner Achselhöhle und kollerte unter die Bank. Der Lehrer hatte es glücklicherweise nicht gesehen, und Flachskopf hob sie schnell auf.
Dries bekam noch ein paar Backpfeifen, und überzeugt, daß es immer noch wegen der Zwiebel war, schrie er: »Die Zwiebel gehört Tjeef, Herr Lehrer, ich sollte die Wassersucht davon bekommen !«
»Das ist ver-verdammt eine Lü-Lüge !« widersprach der Beschuldigte.
Aber der Lehrer begriff nicht den Zusammenhang zwischen einem Hemdzipfel und der Wassersucht, sah nur die von Dries ausgehängte Fahne und hieß ihn vorn auf die Estrade knieen, die Nase fast an der schwarzen Tafel. Nun sah die ganze Klasse den Hemdzipfel hängen, und die Bengel schrieen und lachten wie wahnsinnig. Der Lehrer gab auch Tjeef noch eine Maulschelle, ohne eigentlich zu wissen, warum, und befahl ihm, auf der letzten Bank Platz zu nehmen. Tjeef war wütend, weil er überzeugt war, daß man ihn ganz unschuldig in diese Sache verwickelt hatte.
Flachskopf war gut weggekommen, und er hatte außerdem die Zwiebel, ohne daß jemand es gesehen hatte. Nun wollte er die Probe an sich selbst machen, denn daß man krank davon wurde, das hatte er wirklich oft gehört.
Die Zwiebel wanderte also in Flachskopfs Achselhöhle. Es war ein sonderbares Gefühl, die glatte, kühle Knolle auf der bloßen Haut zu spüren. Genau wie Dries drückte er den Arm fest an seinen Körper, aber er tastete ein paarmal hinten an seiner Hose, um sich zu vergewissern, daß sein Hemd nicht auch heraushing.
Die »Wassersucht« kam bei ihm ebensowenig wie bei Dries. Er fing an zu glauben, daß das nur ein leeres Gerede sei, und ungeduldig vom langen Warten, holte er nach einer Weile vorsichtig die bereits warm gewordene Zwiebel aus der Achselhöhle wieder heraus. Er betrachtete die glänzende, rote Knolle mit einem zornigen Blick, roch einmal dran, und dann fiel ihm plötzlich ein: wenn ich sie nun auf äße... Ja, das beißt wohl ein wenig, aber er würde bestimmt davon
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