Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
Vom Netzwerk:
nicht den genauen Text des Katechismus wiedergab und er in des Pfarrers Augen las, daß sie nicht richtig war, fügte er schnell hinzu: »Eigentlich g-gibt es d-dreie !«
    Denn Tjeef wußte sehr gut, daß es einer oder drei waren, aber wie die Sache eigentlich zusammenhing, daraus konnte er nie klug werden. Er zählte dann schnell den einen zu den drei andern. Pfarrer Münze blickte noch strenger, Tjeefs Augen wurden immer größer.

    »...o-o-oder vie-vielleicht gar v-viere...« stotterte er mit zweifelnder Stimme und rieb sich dabei mit dem Finger an der Nase.
    Wer weiß, wie weit Tjeef noch gegangen wäre, wenn der Pfarrer nicht mit böser Stimme befohlen hätte: »Setzen !« Tjeef wußte nicht mehr, woran er war. Hätte ihm in diesem Augenblick jemand gesagt, daß es sieben gäbe, er hätte es auch geglaubt. Artur Leunes wurde nun gefragt und gab prompt die Antwort: »Nein, es gibt nur einen Gott« — und die war richtig.
    Tjeef murmelte für sich: »Kommt das, ve-verdammt! s-so genau drauf an !« und er versetzte Artur heimlich einen Rippenstoß.
    Der Pfarrer fragte ferner noch, wieviel Gebote Gottes es gäbe, was der Glaube wäre, wie man die Nottaufe erteile und ähnliche Dinge mehr, die alle kannten. Er fragte Fompe, ob er ein Christ sei. Ob er einer sei oder nicht, wußte Fompe nicht mit Sicherheit, aber er wußte sehr gut, daß die Antwort lautete: »Ja, durch die Gnade Gottes«, und die gab er dann auch mit voller Überzeugung. Da erhob sich Pfarrer Münze plötzlich, blickte Locke an und sagte: »Das siebente Gebot !«
    Auf Locke hatte der Pfarrer es ganz besonders abgesehen, ohne daß dieser ihm mehr Grund dazu gegeben hätte als die andern. Aber Lockes Eltern hatten eine Kneipe und zwei hübsche Töchter, denen die ganze männliche Dorfjugend den Hof machte. Wenn Lockes Vater ein Schwein schlachtete, brachte er dem Pfarrer auch nie etwas davon, und Locke mußte nun für die Kneipe, für seine beiden Schwestern und die schlechten Manieren seines Vaters büßen. Bei der drohenden Frage nach dem Inhalt des siebenten Gebotes erhob er sich, betrachtete einen Augenblick mit rotem Gesicht die heilige Filomena und fing dann plötzlich an: »Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine fremden Götter neben mir haben; du sollst dir kein...« in der Überzeugung, daß, wenn er sie alle zehn hersagte, das siebente gewiß auch dabei sein würde.
    »Nein ,« sagte der Pfarrer böse, »nur das siebente Gebot.«
    Locke war so verwirrt, daß er auf Flachskopfs Flüstern einging und plötzlich herausplatzte: »Entzünde, o Gott, meine Liebe !«
    Die Knaben lachten aus vollem Halse und die Mädchen auch, was für diese zur Folge hatte, daß der Pfarrer ein halbes Dutzend aus der Kirche jagte. Dann sagte er zu Flachskopf: »Das siebente Gebot !«
    Flachskopf erhob sich, um zu antworten, da aber nur noch Dabbe auf der äußersten Ecke derselben Bank saß, ging diese, als Flachskopf auf stand, in die Höhe. Dabbe fiel auf den Fußboden, und die Bank schlug mit einem lauten Knall zurück.

    »Du sollst nicht stehlen !« rief Flachskopf, aber die ganze Meute war durch Dabbes Fall so aufgeregt, daß der Pfarrer es nicht hörte. Er kam auf Dabbe zu, zog ihn am Ohr aus der Bank und hieß ihn vor dem Marienaltar knieen. Flachskopf mußte auf der Bank neben dem Pfarrer Platz nehmen, mit dem Gesicht seinen Kameraden zugekehrt.
    »Alle zusammen ,« sagte der Pfarrer, »sechstes Gebot!«
    »Du sollst nicht ehebrechen !«
    »Drittes Gebot!«
    »Gedenke, daß du den Sabbat heiligest !«
    »Neuntes Gebot!«
    »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib !«
    Sie schrieen es so laut, daß es jedesmal wie eine Salve durch den hohlen Kirchraum dröhnte. Dann wartete der Pfarrer einen Augenblick; die Kinder kannten dieses Warten und machten sich bereit.
    »Elftes Gebot!«
    »Das gibt es ni-i-icht !!!«
    Nun brüllten sie so laut, daß die Kirche bebte und die Heiligen an den Pfeilern und auf den Altären gewiß erschraken. Das war des Pfarrers großer Witz, der in jeder Religionsstunde wiederholt wurde. Flachskopf strengte bei diesem elften Gebot seine Kehle so sehr an, als wollte er mit der ganzen Kraft seiner Lungen bekunden, daß zehn Gebote schon reichlich genug wären und ein elftes vollkommen überflüssig sei.
    Die Bank, die der Pfarrer und Flachskopf nun gemeinsam benutzten, war eigentlich eine längliche Kiste auf vier Beinen, eine Art Truhe, worin der Küster allen möglichen Abfall aus der Kirche sammelte, und die nach

Weitere Kostenlose Bücher