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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
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hier im Zuge seinem Zorn nicht die Zügel schießen lassen konnte, riß plötzlich die Mütze aus Flachskopfs Händen, schlug sie ihm auf den Kopf und drückte Flachskopf mit einem wütenden Stoß auf die Bank, in die Ecke des Wagens.
    »Und wenn du sie, verdammt noch mal! nicht aufbehältst, werfe ich dich zum Fenster naus !« drohte er. Flachskopf blieb stumm wie ein Fisch. Er kam noch nicht darüber hinweg, wie er so etwas hatte wagen können. Nein, diesmal konnte er wahrhaftig nicht dafür, es war ganz plötzlich geschehen, ohne daß er es gewollt hatte... Warum mußte der blöde Bauer auch den Kopf zum Fenster hinausstecken? ... Aber, daß diesmal die Gendarmen eingreifen würden und ihm das Gefängnis sicher wäre, daran zweifelte er nicht einen Augenblick... Er hätte vor Angst heulen mögen, wenn er an die Folgen dachte... War es nun doch nicht ein Verhängnis, daß immer alles schief gehen mußte und der Tag wieder nicht so angenehm verlaufen würde, wie er sich das vorgestellt hatte? ...
    Flachskopf hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben, die Ballonmütze hing ihm bis über die Ohren, und er mußte sogar den Kopf ein wenig nach hinten halten, um unter dem Schild hervor durchs Fenster sehen zu können. Die Mütze roch stark nach Schweiß und Kautabak.
    Der andere Bauer führte mit dem Vater ein reges Gespräch über Holzverkäufe, und sie schienen den Vorfall vergessen zu haben. Der fremde Junge, der die ganze Zeit mit größtem Interesse durch das gegenüberliegende Fenster hinausgeblickt und nicht bemerkt hatte, was geschehen war, mußte sich nun von seinem Vater weg zu Flachskopf setzen. »Man kann nie wissen, was passiert«, warnte er, und sein Sohn, der sehr brav zu sein schien, gehorchte sofort. Der Junge w r ar etwas älter als Flachskopf und hatte ein feuerrotes Gesicht voll Sommersprossen. Seine Hose—wahrscheinlich seine Erstkommunions-Hose — war so kurz, daß seine nackten Kniee zwischen den Strümpfen und den Hosenbeinen hervorguckten. Auf dem Kopf trug er ein braunes, etwas altmodisches Strohhütchen, worauf er sehr stolz zu sein schien. Er drehte es fortwährend von der einen Seite auf die andere und nahm es ab und zu in die Hand, um es zu betrachten. Flachskopf sah das alles von der Seite, unter dem Schirm seiner Ballonmütze hervorlugend; er sah auch, daß der Junge sich die Kniee nicht gewaschen hatte.
    Sie saßen eng beisammen, und Flachskopf spürte die Wärme des andern an seinem Bein. Er wußte nicht warum, aber der fremde Junge widerte ihn an.
    Dieser wandte kein Auge von Flachskopfs Mütze. Er schien nicht begreifen zu können, warum die Mütze so groß war. Das war doch keine Kopfbedeckung für einen kleinen Jungen! ... Bis Flachskopf ihm plötzlich giftig in die Augen blickte und er vor sich hin sah.
    Diese Sommersprossenfresse, dachte Flachskopf, geht das überhaupt nichts an. Er ärgerte sich über diesen fremden Jungen, weil er seine Mütze betrachtete, und er versetzte ihm plötzlich einen unsanften Schubs, um mehr Platz zu haben...
    Als der Zug dahinbrauste und Flachskopf seine Augen und seine Gedanken über Wiesen und Äcker wandern ließ, legte sich seine Angst allmählich.
    »Sag mal ,« fragte plötzlich der rote Junge, »warum ist deine Mütze so groß?«
    Flachskopf sah ihn mit haßerfülltem Blick an.
    »Warum sind deine Ohren so lang ?« fragte er zurück.— Was ging ihn das auch an!
    Der fremde Junge drehte sich nach der andern Seite. Er holte vorsichtig zwei Birnen aus der Tasche und fing an, eine davon bedächtig zu verzehren. Flachskopf wurde milder gestimmt.
    »Hier sind die Hunnenlöcher«, sagte er nun selbst, mit einem Auge nach der ganzen Birne schielend, die der andere in der Hand hielt, und durchs Fenster auf einen felsigen Hügel zeigend, wo nach Sichemer Überlieferung in grauer Vorzeit die Hunnen gewohnt haben sollen. Aber der andere schien auch für Flachskopfs Hunnenlöcher kein Interesse zu haben.
    Flachskopf wurde es entsetzlich warm; er fühlte den Schweiß unter der schweren Bauernmütze über seine Backen laufen, aber aus Angst vor seinem Vater wagte er nicht, sie zu berühren. Der Gedanke, daß er sehr komisch aussehen mußte, ließ ihn die Schwüle im Eisenbahnwagen noch mehr empfinden.
    »Sag mal ,« flüsterte er leise dem roten Jungen zu, mit einem Blick auf seinen Vater, ob dieser es auch nicht hörte, »bekomme ich die andere Birne?«
    »Für einen halben Cent ,« antwortete der rote ebenso leise und schielte dabei zu seinem Vater

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