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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
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mußte.
    »Habt ihr unseren Flachskopf nicht gesehen ?« fragte sie mit scheinbar ruhiger Stimme, die die Knaben jedoch als eine furchtbare Drohung deuteten.
    »Nein, wir haben nichts gesehen«, antwortete Locke. »Wer ist das drüben in der Wiese ?«
    »Das k... kann Ihnen, ver... ver... dammich noch emal! g... g... ganz egal sein !« sagte Tjeef frech.
    »Das ist Nand von Mie Boot«, rief Artur.
    Alle hatten dabei denselben Gedanken: daß es, Gott sei Dank! nicht ihre Mutter war.
    Plötzlich drehte sie sich um, schritt auf die Kleiderhaufen zu, nahm Hose, Mütze, Joppe und Hemd ihres Sprößlings unter den Arm und zog damit ab, ohne noch etwas zu fragen. Sie stieß mit dem Fuß gegen Arturs Schwimmblase und hob diese an der Schnur ebenfalls auf.
    »Artur ,« sagte Locke, der am Ufer hochgekrochen war, um ihr nachzusehen, »deine Blase nimmt sie auch noch mit.«
    Artur stieg aus dem Wasser und rief drohend: »Wollen Sie wohl meine Blase dalassen ?«
    Die Mutter wandte den Kopf, und Artur glitt erschrocken zurück in den Bach, aber er merkte doch, daß sie die Blase auf die Wiese warf und bei der Gelegenheit Flachskopfs Mütze fallen ließ.
    Sobald sie sich ein Stück Wegs entfernt hatte, tauchte Flachskopf mit ängstlichem Gesicht aus dem Graben auf. Er hatte von weitem gesehen, was seine Mutter getan hatte, und brachte vor Schrecken kein Wort über die Lippen. Er watete durch den Bach, stellte sich zu den andern, die sich nun wieder anzogen, und fing plötzlich laut zu weinen an. Sie wußten nicht recht, was sie dazu sagen sollten, und blickten etwas verlegen drein.
    »B... b... brauchst nicht zu heulen«, versuchte Tjeef zu trösten; Locke brachte ihm die zurückgebliebene Mütze und sagte: »Da, Flachskopf, die kannst du als Badehose verwenden .«
    Aber Flachskopf war untröstlich. Als die andern fortgingen, kam er mit langsamen Schritten hinterher und trocknete sich mit seiner Mütze die Tränen ab. An der Brücke schlugen die fünf Kameraden den Weg nach Sichem ein, und er mußte in der entgegengesetzten Richtung weiter. Auf der Landstraße kamen einige Leute von der Arbeit, denn es wurde allmählich Abend, und Flachskopf mußte splitternackt an ihnen vorbei. Vor Scham verbarg er sein Gesicht hinter dem rechten Arm, während er mit der linken Hand seine Mütze vor den Bauch hielt. So sah er die Leute nicht, die alle kichernd stehen blieben und fragten, was der schöne Anzug kostete.
    Als Flachskopf durch die offene Vordertür in die Wohnstube trat, saß sein Vater am Tisch und trank eine Tasse Kaffee, um dann, wie jeden Sonnabend, zum Barbier zu gehen. Er hatte Flachskopf nicht hereinkommen hören, und als sich plötzlich der splitternackte Bengel an ihm vorüberschlich, erschrak er so sehr, daß ihm der Kaffee in die verkehrte Kehle geriet und er gewaltig zu husten anfing.
    Flachskopf huschte in die Kammer, fand dort seine Sachen vor, hatte sie im Nu an und verschwand in den Garten.
    Als es spät geworden war, schlüpfte er geräuschlos in sein Schlafzimmer, kroch halbtot vor Hunger unter die Decken, aber dachte doch nur daran, daß morgen wieder Sonntag war.

Flachskopf bekommt eine neue Mütze

    D er Zug fuhr erst um neun Uhr, aber um halb acht war Flachskopf schon fertig gewaschen und gekämmt, im Sonntagsanzug, und gestern abend hatte er eine Stunde lang seine Schuhe geputzt. Flachskopf durfte nämlich an diesem Sonntagvormittag mit seinem Vater nach Diest gehen, um sich eine neue Mütze zu kaufen. Am vorigen Sonntag hatte er seine beste Mütze in die Demer fallen lassen, während er den Kopf durch die eiserne Brückenlehne gesteckt hatte. — Die Mutter hatte ihn einen halben Tag lang im Keller eingeschlossen, und der Vater hatte gedroht, ihn nach Hoogstraeten in die Erziehungsanstalt zu schicken, aber das nützte nun doch alles nichts, — Flachskopf brauchte eine Sonntagsmütze; denn das Hütchen, das Nis bei seiner Ersten Kommunion getragen hatte und das Flachskopf jetzt wochentags trug, war viel zu schlecht, damit konnte er unmöglich in die Kirche gehen.
    Erstens eine neue Mütze, und gewiß nach der letzten Mode, mit einem lackierten Mützenschild und einer Goldborte, zweitens mit dem Zug nach Diest fahren, drittens im Gasthaus »Gasthof zum Kayser« Rosinenkuchen essen und Diester Bier trinken, das war für Flachskopf mehr als genug, um an diesem Sonntagvormittag das Leben von der sonnigsten Seite zu betrachten.
    Die Mutter war eben aus der Frühmesse zurückgekehrt und machte nun den Kaffeetisch

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