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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
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fertig, nachdem sie den Vater geweckt hatte. Heini und Nis waren noch nicht da, denn sie ließen sich nach der Messe bei Cleynen rasieren.
    »Wenn du jetzt diese Mütze wieder verlierst ,« warnte die Mutter, »dann mache ich dir eine aus einem Kartoffelsack.«
    »Die andere wurde doch zu klein«, antwortete Flachskopf.
    »Dann werde ich dir eine machen, die auf Zuwachs berechnet ist... Und jetzt gehst du ohne Mütze nach Diest .«
    Flachskopf zog es vor zu schweigen, überzeugt, daß man bei der Mutter nie recht behielt; und darin war er mit seinem Vater einig.
    Dieser erschien endlich zum Kaffee, und nachdem er von der Mutter das nötige Geld erhalten hatte, machte er sich mit Flachskopf auf den Weg. Flachskopf spürte in Armen und Beinen eine übermütige Lebenslust, pfiff seine lustigsten Liedlein, warf unterwegs nach einem Spatz; und bevor sie den Bahnhof erreicht hatten, mußte sein Vater ihn schon bei den Haaren packen und drohen, ihn wieder nach Hause zu schicken.
    Der Bahnhof hatte für Flachskopf stets einen besonderen Reiz; er stand in direkter Verbindung mit der großen Welt außerhalb Sichem, und die Leute aus dem Dorf, die hier auf den Zug warteten, kamen ihm viel wichtiger vor als bei der alltäglichen Arbeit. Auch sein Vater, der so genau wußte, wo man Fahrscheine bekäme und wie man diese verlangen müßte, kam ihm viel gescheiter vor als zu Hause, und er fühlte sich hier ganz klein neben all dem, was die großen Leute wußten und taten.
    Es war noch sehr zeitig.
    Flachskopf blickte durchs Fenster des Wartezimmers auf die Schienen. Er war so überaus glücklich über diese Reise nach Diest, daß er fürchtete, im letzten Augenblick könne irgend etwas geschehen, das ihm den Spaß verderben würde. Er hielt die Arme fest an sich gedrückt, aus Angst, daß er etwas berühren könnte, was verboten war, und er hätte seinen Vater am liebsten gefragt, ob der Zug auch bestimmt käme. Aber die Leute im Wartezimmer saßen alle ganz bedächtig auf den Bänken, und sein Vater rauchte friedlich seine Pfeife, es würde also mit dem Zug wohl alles in Ordnung sein.
    Da machte der Beamte plötzlich die Tür auf und rief mit einer Stimme, daß die Fensterscheiben davon bebten: »Diest, Hasselt, Maastricht«, und einen Augenblick später: »Aarschot, Löwen, Brüssel«. Das erste galt für den Zug, der nach Diest fuhr, das zweite für den Zug, der von Diest kam.
    Der Vater und Flachskopf gingen mit den andern hinaus; der Zug blieb mit einem Ruck stehen, und sie stiegen ein. Flachskopf ging sofort auf die andere Seite des leeren Wagens zu und sah zum offenen Fenster hinaus. Der Zug, der aus Diest kam, stand ihm gerade vor der Nase. Im Abteil vor ihm saßen die Leute in Sonntagskleidern nebeneinander auf den Bänken und sahen flüchtig zu ihm hin. Er guckte an dem andern Zug entlang; etwas weiter steckte ein Bauer seinen Kopf durch ein Fenster desselben, sah erst zu Flachskopf hin und dann nach der anderen Richtung. Er trug eine hohe schwarze Ballonmütze wie der Vater, und Flachskopf bemerkte, daß er kahl war bis an den Hals.
    Der Zug setzte sich keuchend in Bewegung, und Flachskopf näherte sich immer mehr dem Bauern. Plötzlich schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf, unwillkürlich zuckte es ihm in den Fingern und in den Armen — und raff! er riß dem Bauer die schwarze Ballonmütze vom Kopf.

    Flachskopf sah noch den rötlich glänzenden Kahlkopf des äußerst erstaunten Bauern, hörte dann, wie ein Fluch den Lärm des fahrenden Zuges übertönte, — und stand dann mitten im Wagen mit der fremden Mütze in der Hand.
    Flachskopf war von dieser plötzlichen Tat, über die er sich selbst noch keineswegs Rechenschaft geben konnte, so verwirrt, und es war so schnell geschehen, daß er nun verdutzt die Mütze in beiden Händen hielt und mit großen Angstaugen zu seinem Vater aufblickte. Im letzten Augenblick war noch ein Bauer, ein Bekannter seines Vaters, mit einem kleinen Jungen in den Wagen gestiegen. Aber der Vater hatte doch noch gerade bemerkt, was geschehen war. Sprachlos und entsetzt sah er seinen Sohn an, wurde dann rot bis an den Hals, und mit einer vor Wut stockenden Stimme donnerte er los: »Bengel, wenn du zum Donnerwetter diesmal nicht ins Kittchen kommst, dann versteh ich die Welt nicht mehr !«
    Flachskopf sträubten sich die Haare vor Angst. Der Bauer, der neben dem Vater saß und sofort geraten hatte, was los war, nahm die Sache nicht so tragisch. Aber der Vater, der noch wütender wurde, weil er

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