Flames 'n' Roses
tatsächlich in einem Raum mit Landon befand. Ein anderer Teil aber sah immer noch Lend unter dieser Maske an und diesem Teil gefiel sein Gesicht sogar ein kleines bisschen besser.
»Gibt’s eigentlich irgendjemanden, den du nicht kopieren kannst?«, fragte ich neugierig.
Er zuckte mit den Schultern. »Ein paar von den Paranormalen krieg ich nicht hin. Viel mehr als zehn, fünfzehn Zentimeter kann ich nicht wachsen oder schrumpfen, also klappt es auch mit kleinen Kindern nicht. Und unbegrenzt in die Breite gehen kann ich auch nicht, also kommt auch niemand infrage, der hundertfünfzig Kilo wiegt. Und deine Augen schaff ich ja auch immer noch nicht.«
»Das behauptest du jedenfalls immer«, murmelte ich.
Ich lag, auf die Ellenbogen gestützt, auf dem Bauch und blätterte durch eine der Zeitschriften. Lend suchte sich einen Film aus und wir verbrachten die nächste Stunde in gemeinsamem Schweigen. Es war ein kleines bisschen langweilig und stinknormal. Es war der Hammer.
Nach einer Weile sah ich auf und entdeckte einen Stapel Papier unter seinem Bett. »Ach, sind das deine Zeichnungen?« Ich schnappte sie mir.
»Oh, ich … äh … nicht …«, stammelte er, aber ich war schon dabei, sie mir anzusehen. Er zeichnete fantastisch. Da war ein Porträt von Jacques, so exakt, dass es auch ein Foto hätte sein können. Anscheinend konnte er andere Leute nicht nur mit seinem Körper kopieren, sondern auch auf dem Papier. Ich blätterte um zur nächsten Zeichnung und hielt inne. Das war ich.
»Oh Mann, Lend, die sind großartig! Du bist gut. Richtig, richtig gut.« Verschämt hob er die Schultern. »Ich meine, mit einem so tollen Motiv wie mir musste es ja eigentlich gut werden, aber trotzdem«, witzelte ich. Er lächelte. Mensch, wenn ich mittlerweile mal nicht richtig gut im Flirten war! Wer würde da auf die Idee kommen, dass ich bisher nur in meinen Tagträumen Gelegenheit zum Üben gehabt hatte?
Ich widmete mich wieder den Zeichnungen. Jetzt war ich diejenige, die leicht verschämt dreinsah, denn ein Großteil der Bilder zeigte mich. Leicht verschämt und ziemlich geschmeichelt. Eins der letzten war eine Nahansicht meines Gesichts, bei der die Betonung auf meinen Augen lag, die er jedoch unfertig gelassen hatte.
Die allerletzte Zeichnung überraschte mich. Er hatte versucht, sich selbst – sein wahres Selbst – zu porträtieren, und dabei wesentlich weniger Erfolg gehabt als mit den anderen Bildern. »Dein Kiefer ist kräftiger und deine Haare sind ein bisschen gewellt.«
»Du kannst mich also tatsächlich so gut sehen.« Es klang fast ehrfürchtig.
»Das ist mein Job.«
»Ja, das wollte ich dich sowieso fragen. Was genau ist eigentlich dein Job? Warum arbeitest du hier?«
»Ich helfe dabei, Paranormale zu identifizieren und aufzugreifen.«
»Hast du sonst noch irgendwelche anderen Superkräfte? Bist du stark wie Hulk oder so?« Ich lachte.
»Na klar doch, was denkst du denn? Deshalb bin ich auch gestern beinahe von einem Haufen Vampire abgemurkst worden. Weil ich so eine Mega-Kampfmaschine bin.« Er machte ein verwirrtes Gesicht.
Ich verdrehte die Augen. »Nein, ich hab keine Superkräfte. Ich bin ganz normal. Ich kann bloß ein bisschen besser sehen als die meisten anderen.« Ich verriet ihm nicht, dass ich jedes Cover durchschauen konnte. Diese Information war streng geheim.
»Wie sind sie auf dich gestoßen?«
»Das ist ’ne lange Geschichte. Oder eigentlich ist sie gar nicht so lang. Nur langweilig. Ich bin hier, seit ich acht war. Es gibt da dieses internationale Abkommen, in dem ich mehr oder weniger die Hauptrolle spiele.«
»Also gehörst du denen.«
»Nein! Ich gehöre ihnen doch nicht.«
»Du kannst also abhauen, wann immer du willst?«
Irritiert sah ich ihn an. »Warum sollte ich von hier abhauen wollen?«
»Ich weiß nicht. Kommt mir nur so vor, als wärst du nicht sehr … glücklich.«
»Und ob ich glücklich bin«, entgegnete ich stirnrunzelnd. »Außerdem tu ich hier wirklich viel Gutes! Zum Beispiel Kastrieren –« Entsetzt starrte er mich an und ich korrigierte mich hastig. »Neutralisieren, meine ich. Heißt, in den letzten Jahren habe ich Hunderte von Vampiren unschädlich gemacht, Werwölfe identifiziert, bevor sie sich oder anderen etwas antun konnten, dabei geholfen, eine Kolonie von Trollen ausfindig zu machen, und alles Mögliche mehr, was die Welt zu einem sichereren, geordneteren Ort macht.« Hatte ich mich gerade wirklich damit gebrüstet, dass ich die Welt zu einem
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