Flaming Bess 04 - Das Grauen an Bord
nur mit einem einfachen Riegel gesichert. Sie löste den Riegel und öffnete die Klappe. Das leise Quietschen der Scharniere ging im Rauschen des Luftstroms unter.
Glory Moons Kabine lag am Ende des Gangs, unmittelbar vor dem Hauptschott. Bess war fast am Ziel — vorausgesetzt, ihre Vermutung stimmte und die Crewmitglieder waren tatsächlich im Kabinentrakt arretiert.
Sie kroch weiter.
Ein Lüftungsgitter. Eine quäkende Stimme: »Dieser Werkzeugcontainer benötigt dringend neue Werkzeuge. Informieren Sie bitte sofort den Technodienst.«
»Halt’s Maul, Kiste«, fauchte eine andere Stimme. »Ich möchte wissen, wann du endlich begreifst, daß wir Gefangene sind. Gefangene bekommen keine Werkzeuge, kapiert?«
Bess äugte durch das Gitter in die spartanisch eingerichtete Kabine. Ein schlaksiger, wuschelhaariger Mann in einem schmutzig-grauen Overall saß im Schneidersitz auf dem Boden und starrte deprimiert vor sich hin, während ein schwarzer Kasten auf Rädern ruhelos um ihn herum rollte und nervös mit den Plastikarmen gestikulierte — Fortunato Stengel und sein Werkzeugcontainer.
Sie unterdrückte den Impuls, Stengel auf sich aufmerksam zu machen. Die Zeit war knapp; erst wenn sie mit Glory Moon gesprochen hatte, konnte sie sich um die anderen Crewmitglieder kümmern.
Lautlos setzte sie ihren Weg fort.
Die nächste Kabine gehörte Ken Katzenstein. Kein Licht fiel durch das Lüftungsgitter. Bess lauschte und vernahm leises Schnarchen — der Bordingenieur schlief.
Weiter!
Endlich erreichte sie die letzte Kabine. Der Raum unter dem Gitter war abgedunkelt; ein flauschiger weißer Teppich, weiße Sitzkissen, um einen einbeinigen ovalen Tisch gruppiert, an den Wänden farbenprächtige Gobelins, neben dem verglasten Durchgang zur Naßzelle ein schmales Bett.
Auf dem Bett lag Glory Moon, eine dunkelhäutige, zierliche Frau in einer weißen Montur. Ihre Augen waren geschlossen, ihr katzenhaft schönes Gesicht war entspannt. Die goldenen Neurokontakte an ihren Schläfen blitzten im gedämpften Licht der Deckenlampe, und als sie sich im Schlaf bewegte, wurde im Tal zwischen ihren Brüsten ein eigroßes Medaillon sichtbar. Wenn das dhrakanische Paratriebwerk in Betrieb war, glühte es von innen heraus und durchlief in kurzen Intervallen alle Farben des Spektrums, doch jetzt war es matt wie Milchglas.
Flaming Bess entriegelte das Lüftungsgitter, klappte es nach unten, zwängte sich durch die Öffnung und ließ sich fallen. Sie federte den Aufprall ab und verharrte horchend.
Nichts; nur Glory Moons regelmäßige Atemzüge.
Sie trat ans Bett und sah auf die schlafende Psychonautin hinunter.
Glory Moon hatte den Magnetverschluß ihrer Montur bis zum Bauchnabel geöffnet. Ihre festen Brüste hoben und senkten sich im Rhythmus ihrer Atemzüge, und halb amüsiert, halb verärgert spürte Bess, wie sich ihr Pulsschlag beschleunigte.
In diesem Moment schlug Glory Moon die Augen auf.
Sie hat nicht geschlafen, erkannte Bess. Sie hat nur so getan; sie wusste die ganze Zeit, daß ich hier bin und sie betrachte.
Der Gedanke verstärkte ihren Ärger.
Oder lag es daran, daß sie so heftig auf die körperlichen Reize der dunkelhäutigen Frau reagierte?
Glory Moon verzog die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln. Ihre rechte Hand glitt über ihren flachen, straffen Bauch, streifte die linke Brust und schloß sich um das Medaillon. Sie wirkte nicht im mindesten überrascht; es war, als hätte sie Bess erwartet.
»Auf meiner Heimatwelt Kharaman«, flüsterte die Psychonautin, »sagt man, daß Blicke so leidenschaftlich sein können wie eine körperliche Berührung … «
»Und auf der Erde sagt man, irren ist menschlich«, gab Flaming Bess trocken zurück.
Glory Moon setzte sich aufrecht hin und schloß mit einem feinen Seufzer ihre Montur. »Ich nehme an, du bist nicht ausgebrochen, um mich mit der Weisheit der alten Erde zu erleuchten.«
»In der Tat«, bestätigte Bess. »Ich dachte mir, daß es allmählich Zeit wird, Admiral Cluster zu stoppen. Außerdem wurde es mir unten in der SD-Zelle zu langweilig.«
»Über Langeweile kann ich nicht klagen.« Glory Moon seufzte erneut. »Cluster hat gedroht, Vira Mandala erschießen zu lassen, wenn ich mich weiter weigere, seinen Befehlen zu gehorchen. Er will, daß ich die NOVA STAR zurück zum Sternenbund steuere. Ich habe ihm gesagt, daß ich nur von dir Befehle entgegennehme, aber in zwei Stunden läuft die Frist ab, die er mir gesetzt hat, und dann … «
Flaming Bess
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