Flaming Bess 08 - Die elektrischen Ritter
mußte Flaming Bess mitansehen, wie ihre Crew und die Flüchtlinge lachend und arglos wie Kinder aus der NOVA STAR strömten und sich auf den Weg zur Stadt am Rande des riesigen Raumhafens machten.
Mehrfach hatte sie versucht, Funkverbindung mit den Herren dieser Welt aufzunehmen, doch ohne Erfolg.
Warum ignorierte man sie?
Und welche Pläne verfolgten die Ritter?
Das Tor zur Erde … Die Sechs Tafeln des Orat-Madur, die Schlüssel, mit denen sich das Tor öffnen ließ … Aber wo befanden sich die Schlösser?
Vielleicht würde sie es in der Stadt erfahren.
Auf dem Hauptbildschirm sah sie die Stadt als ein farbenprächtiges Labyrinth aus Zelten, Bretterbuden, Lehm-und Steinhäusern, verwinkelten Gassen und Marktplätzen, scheinbar planlos errichtet und erschreckend primitiv.
In den engen Gassen und auf den Plätzen wimmelte es von Menschen — sofern es Menschen waren …
Nur zu gut erinnerte sich Flaming Bess an Orat-Madurs Worte: Suchen Sie dort, wo es Dinge gibt, die wie Menschen aussehen, aber keine Menschen sind.
Roboter?
Vermutlich. Flaming Bess wandte sich vom Bildschirm ab und nahm die Schatulle mit den Tafeln des Orat-Madur vom Kontrollpult. Einen Moment lang hielt sie sie nachdenklich in den Händen und schob sie dann in den Überlebenstornister; Konzentratnahrung für eine Woche, Medikamente, Reservemagazine für ihren Energiestrahler — nur das Notwendigste.
Dann verließ sie die Zentrale und fuhr mit dem Lift hinunter zum 3. Unterdeck. Im Schiff war es unnatürlich still. Nur das Wummern des Paratriebwerks durchbrach in großen Abständen die Stille, doch der Herzschlag verstärkte das Gefühl der Einsamkeit noch.
Die Tafeln schützten Bess vor dem psychischen Einfluß — und trennten sie zugleich von ihren Freunden.
Draußen war es lähmend heiß. Die Sonne stand im Zenit und hatte die Wolken fortgebrannt, und über dem grauen Landefeld flimmerte die Luft. Es roch nach Metall und Ozon.
Sie sah sich um.
Im Westen, Norden und Süden befand sich das glatte Grau des Hafens, im Osten sah sie die verschwommen erkennbaren Umrisse der Stadt, vielleicht eine halbe Stunde Fußweg entfernt.
Flaming Bess marschierte los.
Bereits nach wenigen Minuten war sie trotz ihrer dünnen Kleidung — dunkle Hose aus einem seidigen Material, tief ausgeschnittene, ärmellose Bluse — in Schweiß gebadet. Erst als sie die Zelt- und Budenstadt beinahe erreicht hatte, kam Wind auf und kühlte ihre Stirn.
Aus der Stadt schlug ihr lärmende, schrille Musik entgegen. Gelächter wehte heran, sie hörte Geschrei, Flüche, Gezeter, das Knarren und Quietschen primitiver Karren, das Gebrüll nervöser Tiere und Hundegebell. Das alles war eingebettet in das Stimmengewirr einer vieltausendköpfigen Menge. Es roch nach Rauch und offenen Feuern, nach gebratenem Fleisch und ranzigem Fett, nach Staub und Fäulnis, Dung und süßem Räucherwerk.
Bess zögerte, dann zwängte sie sich entschlossen durch eine Lücke zwischen zwei purpurrot und königsblau gestreiften Zelten — und stolperte fast über einen verwachsenen Zwerg im Narrenkostüm, der auf allen vieren im Staub kroch und zur Belustigung einer Gruppe Schaulustiger die tollsten Grimassen schnitt. Die Männer, Frauen und Kinder, die sich lautstark über das unglückliche Geschöpf amüsierten, trugen grobwollene, aus zahlreichen Flicken zusammengenähte Kleidung.
Manche hatten nicht mehr als fadenscheinige Lumpen, die nur noch durch den Schmutz zusammengehalten zu werden schienen.
Beim Anblick von Flaming Bess verstummten sie. Ihre Mienen wurden ernst, fast feindselig.
Der Zwerg kicherte. Sein Gesicht war faltig wie das eines Greises, aber er hatte die großen, staunenden , Kulleraugen eines kleinen Kindes.
»Ah, ah, ah!« machte er. »Wen haben wir denn da? Eine vornehme Dame, ein Edelfräulein gar, in der Gasse der Habenichtse, Tunichtgute, Taugenichtse? Vielleicht auf der Suche nach einem Bräutigam, Prinzgemahl, Bettvorleger?«
Die Schaulustigen zogen sich zurück und verschwanden im Strom der Menge, die an den Verkaufsständen, Jahrmarktsbuden, Schaustellern und fliegenden Händlern vorbeiwogte.
Der Zwerg sprang auf, klopfte sich den Staub vom Narrenkleid und tanzte gackernd um Flaming Bess herum.
Er war offenbar schwachsinnig.
Vorausgesetzt, er war ein Mensch.
»Ich suche tatsächlich jemand«, sagte Bess. »Einen Ritter. Einen Elektrischen Ritter.«
Der Zwerg kam vor Überraschung ins Straucheln und stürzte zu Boden. Mit ungeahnter Behendigkeit war
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