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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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wurde noch fester.
    »Ja, ich höre zu.«
    »Du musst mir eins versprechen«, verlangte die Gräfin.
    »Ich verspreche Ihnen alles«, erwiderte Eleonora mit tränenerstickter Stimme.
    »Bleibe immer du selbst, lass dich nicht verbiegen und folge dem Weg, den der liebe Gott dir vorgezeichnet hat, indem er dir diese Stimme schenkte.« Das Sprechen fiel Gräfin Dorothea zusehends schwerer. »Schade, dass ich nun doch nicht bei deinem Debüt dabei sein kann. Aber du wirst eine phantastische Leonore sein.« Ein wehmütiges Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Ich bin jetzt schon so stolz auf dich, obwohl ich die größte Stunde deines Triumphes nicht mehr erleben darf.«
    Eleonora schluchzte auf.
    »Versprich mir, dass du dich niemals verraten wirst«, verlangte die Gräfin. »Niemals dich, niemals die Erinnerung an deine Jugendjahre, auch nicht die an mich, nicht an unser Haus, in dem du aufgewachsen bist, und auch niemals unser Preußen.«
    »Ich verspreche es, Gräfin, ich verspreche es«, gelobte Eleonora.
    »Dann ist es gut«, sagte Gräfin Dorothea zufrieden. Sie schaute Eleonora eindringlich an. »Grüß mir alle meine Lieben. Es tut mir leid, dass ich diesen Sommer nicht mehr mit ihnen auf meinem geliebten Sophienhof erleben darf.«
    Es waren ihre letzten Worte.

19
    A ls der Arzt zwei Stunden später eintraf, hatte Babette der Gräfin die Hände gefaltet und alle Spiegel verhängt. Nach altem Brauch riss sie die Fenster weit auf, damit die Seele der Verstorbenen gen Himmel entweichen konnte. Das Lied einer flötenden Amsel begleitete diesen Flug. Viel später begann noch eine Nachtigall zu schlagen. Eleonora blieb stehen, um ihrem Gesang zu lauschen. Sie war aus dem Haus geflüchtet. Ihr war eingefallen, dass sie ihre Noten im Wald vergessen hatte. Im hellen Licht des Mondscheins fiel es nicht schwer, den Weg zu ihrem Versteck zu finden. Die Blätter der Partitur waren feucht geworden. Ein leichter Abendwind hatte sie über den Waldboden verteilt. Sie klaubte sie zusammen und machte sich auf den Rückweg. Schon von weitem konnte sie die hellerleuchteten Fenster des Schlosses sehen. Die Flügeltüren der weiträumigen Terrasse standen offen. Viele fremde Menschen waren seit dem frühen Abend eingetroffen. Nach dem Arzt kam der Pastor, danach einige Nachbarn von den in der Nähe gelegenen Gütern und Domänen, die wiederum ihre Besucher mitbrachten. Die Kunde vom Tod der Gräfin hatte sich in Windeseile herumgesprochen. In der Küche versuchte die weinende Babette in aller Hast etwas zu essen für die unerwarteten Gäste herzurichten, unterstützt von den schluchzenden Küchenmädchen.
    Wie sie es schaffte, wusste sie selbst nicht, aber Eleonora gelang es tatsächlich, sich unbemerkt auf ihr Zimmer zu stehlen. Sie legte den Notenstapel auf den Schreibtisch und stieß die Fensterläden auf. Der Himmel war fast schwarz. Umso heller funkelten die Sterne und strahlte der bleiche Mond.
    »Übermorgen ist Vollmond«, murmelte Eleonora geistesabwesend. Sie starrte in das Dunkel der Nacht. Von unten klang das monotone Stimmengemurmel der Besucher durch die geöffneten Türen des Speisesaals zu ihr empor. Einige Zimmer weiter lag die Gräfin. Wer heute Nacht die Totenwache bei ihr hielt? Von den engsten Familienangehörigen war noch niemand auf Schloss Sophienhof anwesend.
    Außer mir, durchzuckte es Eleonora. Sie schluckte. Du bist keine Verwandte, rügte sie sich selbst. Aber eine Wahlverwandte, hatte Gräfin Dorothea doch stets gesagt.
    Auf Zehenspitzen schlich sie durch den langen Gang bis hinüber zum Schlafzimmer der Gräfin. Vorsichtig drückte sie die Klinke nieder. Nein, die Gräfin war nicht alleine. Babette war bei ihr. Sie hatte links und rechts auf den beiden Nachttischchen zwei große Kerzen entzündet. Liebevoll schüttelte sie nun das Kopfkissen zurecht und strich ein paar Falten glatt. Als sie Eleonora erkannte, grüßte sie stumm. Am Fußende blieb sie stehen und verharrte in einem stillen Gebet. Dann nickte sie Eleonora zu und verließ leise das Zimmer.
    Jetzt war sie alleine mit ihrer Beschützerin und konnte endlich weinen.
    Die nächsten Tage verliefen so turbulent, dass Eleonora sich ihrer nur noch wie an ein buntes Kaleidoskop von Menschen, Farben, Stimmen, Gerüchen und Wortfetzen erinnern konnte.
    Der Erste, der eintraf, war Graf Ludovic, dem trotz der Gefasstheit und anerzogenen Disziplin eines preußischen Offiziers beim Anblick seiner friedlich ruhenden Gemahlin helle Tränen über die Wangen

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