Flamme der Freiheit
Masse, an dem Hopfen und Malz verloren war. Diese märkischen Bauern waren einfach nicht zu zivilisieren. An Graf Ludovic hatte sich Madame Hortense von Beginn an vergeblich die Zähne ausgebissen. Der wiederum hatte sich auch nur von einem einzigen Menschen etwas sagen und gar von ihm erziehen lassen. Darin hatten er und Madame Hortense dann wiederum doch etwas gemein.
Danach gingen Emma und Paula. Paula hatte sich verliebt, ausgerechnet in einen Witwer mit drei Kindern, dazu noch ein Invalide. Wo die Liebe hinfällt. Emma wollte zurück nach Neu-Prewitz, wo sie auf dem Vorwerk dem Vater beim Fischen helfen sollte, denn der war alt und gebrechlich geworden, und seine Söhne waren alle eingezogen.
Von Tag zu Tag schrumpfte der Prewitzsche Haushalt ein bisschen mehr zusammen. Dennoch schienen weder Graf Wilhelm noch gar Gräfin Elisabeth den Anforderungen einer geordneten Haushaltsführung gewachsen. Es kam so weit, dass sogar Eleonora zu Arbeiten herangezogen werden musste, die ansonsten Aufgabe der Zofen gewesen wären. Eleonora machte es nichts aus. Sie hatte nichts zu tun. Ihre Musikstunden fanden nicht mehr statt. Sie glaubte, weil auch Balduin Schilling eingezogen worden war, bis sie eines Besseren belehrt wurde.
Ihr war mittlerweile auch die Aufgabe zugewiesen worden, den five o’clock tea in der Küche zuzubereiten und ihn anschließend oben im Salon Gräfin Elisabeth zu servieren. Es tat Eleonora in der Seele weh, mit welcher Selbstverständlichkeit diese nur wenige Tage nach der Trauerfeier Einzug in den Räumlichkeiten ihrer Schwiegermutter hielt. Sie versuchte ihre Gewohnheiten und Gebräuche beizubehalten, aber auch wenn sie die Rituale fast perfekt nachinszenierte, fehlte etwas, und zwar zum einen der Stil, zum anderen die Herzenswärme, die Gräfin Dorothea ausstrahlte, das aufrichtige Interesse, das diese jedem ihrer Mitmenschen verstand entgegenzubringen. Egal, ob sie einem kleinen weinenden Küchenmädchen Trost spendete, einen Schusterjungen, der ihr auf der Straße einen frechen Satz zurief, streng rügte oder Königin Luise zuhörte, die mit ihr ein wenig nett klatschen wollte.
Im Gegensatz dazu blieb bei Gräfin Elisabeth dergleichen sinnloses Zeremoniell und hohle Farce. So machte es sich Eleonora bald zur Gewohnheit, sich nach dem Eingießen des Tees ganz schnell wieder zu verabschieden. Anstatt sich auf ihr Zimmer zurückzuziehen, huschte sie gerne in die große Küche, weil es dort nach wie vor schön warm war. Das Zepter dort führte inzwischen Katharina, eine mittelalte mürrische Frau, die Gräfin Elisabeth auf dem Gut ihrer Schwester angeworben hatte. Sie war tüchtig, aber überhaupt nicht mit Babette zu vergleichen. Eleonoras Stellung im Hause hatte diese niemals so recht durchschaut und bezeugte ihr gegenüber respektvolle Distanz. So stellte sie ihr auch an diesem Nachmittag schweigend einen kleinen Imbiss hin, ehe sie mit einer gemurmelten Entschuldigung in einen Nebenraum verschwand. Kein Mensch wusste, was sie zu diesen stundenlangen Aufenthalten in den verschiedenen Vorratsräumen des Prewitzschen Stadtpalais bewog.
»Vielleicht zählt sie die Erbsen und Bohnen«, hatte Anton einmal grinsend vermutet. Er war der einzige Vertraute, der Eleonora geblieben war. Aber ihre Hoffnung, mit dem alten Gefährten aus Kindertagen an diesem Nachmittag ein entspanntes Plauderstündchen am blankgescheuerten Küchentisch zu halten, war vergebens.
Schweigend nippte sie an ihrem heißen Tee. Über den Rand der Tasse hinweg fiel ihr Blick auf den Speiseaufzug. Sie musste vorhin vergessen haben, dessen Klappe zu schließen, und so erhob sie sich, um dies nachzuholen. Sie hatte den Riegel der Klappe schon in der Hand, als sie laut und deutlich ihren Namen hörte. Es klang ein bisschen blechern, aber doch deutlich vernehmbar. »Eleonora Prohaska! Wie lange willst du diese unerträgliche Person noch in unserem Haus dulden?« Mitten in der Bewegung hielt Eleonora inne und lauschte. Das war eindeutig Gräfin Elisabeth, unverkennbar an ihrem jammernden, jederzeit ins Hysterische umkippenden Ton. »Ich kann den Anblick dieser Schmarotzerin nicht länger ertragen.« Die Tonhöhe stieg. Darauf tiefes Gebrummel einer männlichen Stimme. »Seit Jahren habe ich stillschweigend die Anwesenheit dieses Bastards hingenommen«, sprach Gräfin Elisabeth weiter.
Bastard? Eleonora zuckte zusammen. Wer hätte jemals gewagt, sie als Bastard zu bezeichnen? Sie war die Tochter eines grundsoliden Potsdamer
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