Flamme der Freiheit
Eleonora patzig. »Warum sind Sie nicht offen und ehrlich zu mir? Geben Sie doch zu, dass Sie genauso wie Ihre Mutter der Auffassung sind, dass mir niemals ein Platz in Ihrem Hause gebührte. Jetzt, da Gräfin Dorothea nicht mehr ihre schützende Hand über mich halten kann, soll ich also gehen und …?« Eleonora brach ab. Enttäuschung und Empörung ließen sie nach Atem ringen.
Alexander lachte auf, aber es war kein fröhliches Lachen. »Du wirst noch einmal an meine Worte denken. Meine Empfehlung erfolgte nur zu deinem Besten. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Auch du wirst den Mühlen der Geschichte nicht entgehen, meine liebe Eleonora.« Als wollte er sein Pathos mildern, küsste er ihre Hand. »Leb wohl, Eleonora. Du wärst eine wunderbare Leonore geworden, aber es hat nicht sollen sein.« Ein letzter kurzer Blick in ihre Augen, der jedoch keinerlei Gefühle verriet, dann war er gegangen, hatte sich allen anderen den Prewitzschen Speisesaal so hastig verlassenden Männern angeschlossen. Übrig blieben schließlich nur noch die Angehörigen der Prewitzens selbst.
Sophie weinte, weil sie Angst um ihr kleines bayerisches Herzogtum hatte.
»Bislang hatten wir uns recht gut mit den Franzosen arrangiert, aber jetzt …?« Vergeblich versuchte der bayerische Gatte ihr Trost zu spenden.
»Müssen wir jetzt sofort nach Schweden zurück, oder können wir in Berlin bleiben? Am liebsten führe ich ja nach Sophienhof«, klagte eine aufgelöste Charlotte und schaute zu ihrem schwedischen Grafen empor, der hoch aufgerichtet hinter ihrem Stuhl stand und schweigend auf sie hinunterschaute.
»Ich wünschte, ich wäre bei meiner Schwester in Breslau«, jammerte Gräfin Elisabeth.
»Das kannst du bald sein, wir werden wieder ein Stück gemeinsam fahren können«, sagte ihr Gatte Wilhelm und nahm einen tiefen Schluck aus dem vor ihm stehenden Weinglas. »Ich schlage vor, dass wir im Verlauf dieser Woche noch aufbrechen.«
Graf Ludovic sah sich nach seinem Burschen um. Dieser eilte herbei und überreichte ihm Zweispitz und Umhang.
»Meine Lieben, es tut mir leid, aber ich muss so schnell wie möglich aufbrechen«, sagte er hastig und rückte den Zweispitz auf seinem massigen Schädel zurecht. »Meine Hannoveraner Soldaten benötigen eine strenge Hand. Sie brauchen mich einfach«, setzte er begütigend hinzu.
»Und wann fahren wir? Oder bleiben wir in Berlin?« Wie als kleine Mädchen hatten Charlotte und Sophie unisono gesprochen.
Ihre beiden Ehemänner schauten sich ratlos an.
Immer deutlicher zeichnete sich in den nächsten Tagen ab, dass sich der Prewitzsche Haushalt in einem unaufhaltsamen Prozess der Auflösung befand. Verhängnisvoll schien diese Entwicklung mit dem Niedergang Preußens verknüpft zu sein.
Als Erste ging Babette.
Eine Woche nach der großen Trauerfeier verkündete sie, die Familie Prewitz zu Kirchhagen verlassen zu müssen. Nein, sie sei nicht den verlockenden Angeboten des Grafen zu Hardenberg oder eines der anderen großen Häuser erlegen, die seit Jahren zwar diskret, aber dennoch unnachgiebig versucht hatten die alte Köchin dem Prewitzschen Hause abzuwerben, sondern sie wolle nach Cottbus zu ihrer Schwester ziehen. »Ich bin nicht mehr die Jüngste, genauso wenig wie meine Schwester. Mein Schwager ist kürzlich gestorben, ihre Kinder sind aus dem Haus. Da hat sie genug Platz für ihre alte Schwester«, erzählte sie.
Ungerührt akzeptierten Gräfin Elisabeth und Graf Wilhelm diese Kündigung. Offiziell hatte Graf Ludovic Sohn und Schwiegertochter mit der Weiterführung des Prewitzschen Haushalts betraut, da ihn seine Aufgabe in Hannover zu sehr in die Verantwortung nahm, als dass er regelmäßig nach Berlin oder gar zum Sophienhof hätte kommen können.
Als Nächste kündigte Madame Hortense ihre Stellung auf. »Meine Dienste sind hier nicht mehr erforderlich. Ich habe ein Angebot aus Potsdam erhalten, als Gesellschafterin für die Witwe eines Manufakturisten«, erzählte sie. In dieser angesehenen Hugenottenfamilie war Madame Hortense nicht mehr gezwungen, sich Tag für Tag mit der von ihr auch noch nach Jahrzehnten so verhassten deutschen Sprache zu befassen, sondern konnte rund um die Uhr französisch parlieren. So zumindest ließ sie bei ihrem kurzen Abschied durchklingen. Nun ja, in diesem Haus hatte es nur einen Menschen gegeben, den Madame Hortense vorbehaltlos akzeptiert hatte. Der Rest der Familie Prewitz zu Kirchhagen war nach ihrem Dafürhalten eine ungehobelte
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