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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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Kronprinzen verteidigt hatte. Es war in den ersten Wochen ihres Aufenthalts im Prewitzschen Haushalt gewesen, als mehr als drei Jahre nach dem denkwürdigen Ereignis in Potsdam nochmals die Rede darauf kam, dass die junge Luise bei ihrem triumphalen Einzug in Berlin ganz spontan ein kleines Mädchen geküsst habe, nachdem es ihr einen Blumenstrauß überreicht hatte.
    Noch Jahre später echauffierte sich Gräfin von Voss in einem Brief an ihre Freundin Dorothea ob dieses unmöglichen Verhaltens. Dabei war diese 1793 doch bei dem Einzug selbst dabei gewesen.
    »Und ich fand diese Geste ganz reizend. So spontan, so natürlich«, meinte sie. »Es ist doch gerade ihr natürlicher Liebreiz, der Luisen die Herzen der Berliner so zufliegen lässt.«
    »Schade, dass ich nicht das kleine Mädchen war, das von ihr geküsst wurde«, hatte daraufhin Charlotte bedauert. »Ich finde das richtig lieb von ihr, dass sie sich mit einem Kuss bedankte.«
    Mit ihren damals zwölf Jahren hatte Eleonora nicht so recht verstanden, worum es eigentlich damals ging. In ihrem bisherigen Leben hatte es nicht viel Zärtlichkeit gegeben. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals geküsst worden zu sein. Ehe sie Mitglied des Prewitzschen Haushalts wurde, wusste sie gar nicht, dass man sich auch unabhängig von offiziellen Anlässen einmal küssen konnte.
    Was sich einst in der Dunkelheit zwischen den betrunkenen Soldaten und ihrer Mutter in der muffigen Schlafkammer abgespielt hatte, brachte Eleonora nicht damit in Verbindung, hatte sie doch seit Jahren die Erinnerung an dieses abstoßende Geschehen in den verborgenen Tiefen ihres Gedächtnisses versenkt. Der eigene Vater hatte ihr höchstens mal brummend über den Scheitel gestrichen. Vom Bruder war sie als allerhöchstes Zeichen seiner verwandtschaftlichen Zuneigung eigentlich immer nur in die Seite geknufft oder an den Zöpfen gezogen worden.
    Wenn sich Eleonora so recht besann, war es eigentlich Gräfin Dorothea gewesen, von der sie zum ersten Mal Zärtlichkeit erfuhr. Geradezu stürmisch hatte sie das zwölfjährige Mädchen nach ihrem herzzerreißenden Solo der Bachschen Kantate in die Arme gerissen und geküsst.
    »Du hast mich zum Weinen gebracht, mein Kind«, hatte sie gerufen und sie erneut geküsst. Eleonora wusste gar nicht, wie ihr geschah, spürte nur das Kratzen des gräflichen Spitzenjabots auf ihrer Wange und blickte hilflos zu dem in der Sakristei stehenden Pastor empor. Der nickte ihr lächelnd zu. Hinter ihm entdeckte sie das strahlende Gesicht der jungen Frau Pastor, die gleichfalls lächelte. Beide schienen sehr stolz auf sie zu sein.
    »Du hast gesungen wie ein Engel«, behauptete Gräfin Dorothea und tupfte mit ihrem Spitzentaschentuch die Augenlider. »Ich würde am liebsten gleich noch mal vor Rührung weinen.«
    »Je vous en prie, belle-mère!«, murmelte die neben ihr stehende etwas dickliche Dame. Zu diesem Zeitpunkt wusste Eleonora noch nicht, dass es die Schwiegertochter Elisabeth war. »Contenance«, setzte sie mahnend hinzu.
    »Papperlapapp, was schert mich jetzt die Contenance?«, widersprach Gräfin Dorothea energisch und erhob sich zu ihrer stattlichen Höhe. »Wenn mir nach Weinen ist, dann will ich weinen und werde weinen«, sagte sie entschieden.
    Dergleichen war etwas völlig Neues für die kleine Eleonora. In ihrem bisherigen traurigen kleinen Leben war für Gefühle kein Platz. Nur ganz verstohlen hatte sie in ihr hartes Strohkissen im Waisenhaus geweint. Seit Vaters Rückkehr vom Militär hatte sie sich aus lauter Dankbarkeit, dass er sie und ihren Bruder zu sich nach Hause geholt hatte, niemals Tränen erlaubt.
    Nun war sie fast siebzehn Jahre alt und tat sich immer noch schwer, ihre Gefühle offen zu zeigen. Umso peinlicher, dass sie vorhin beim Tee im Salon der Gräfin in Tränen ausgebrochen war. Ein sehr verräterisches Verhalten. Aber nachdem die Gräfin sie so offen auf Alexander angesprochen hatte, war sie völlig überrumpelt gewesen. Sie selbst war sich über die Tiefe ihrer Gefühle zu Alexander noch überhaupt nicht klar gewesen. Eigentlich war sie nur verwirrt. Dieser Kuss im Dunkel einer sommerlichen Nacht hatte ein unbeschreibliches Gefühlschaos in ihr ausgelöst, über dessen Konsequenzen nachzudenken ihr widerstrebte. Zu tief schmerzte die Kränkung, dass Alexander schon am nächsten Morgen spurlos verschwunden war. Ohne ein Wort des Abschieds, ohne eine einzige Zeile, ohne Gruß, ohne alles. Vergeblich hatte sie die Wochen darauf auf eine

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