Flamme der Freiheit
Es handelte sich dabei mehr um einen symbolischen Betrag. Aber die Gräfin hatte Prohaskas Angebot nach anfänglichem Sträuben akzeptiert. Sie erkannte, dass es das Ehrgefühl eines preußischen Soldaten zutiefst verletzen würde, wenn sie dieses Kostgeld nicht annahm. Von alldem wusste Eleonora nichts, genauso wenig, wie sie ahnte, dass die Gräfin dieses Geld niemals verbraucht, sondern für ihren Schützling gespart hatte.
So Eleonora nun doch eines Tages heiraten sollte, kann ich ihr eine kleine Mitgift geben, hatte sich die Gräfin gedacht.
Aber eigentlich sollte die Tochter des Potsdamer Feldwebels ja eine Primadonna assoluta, ja, eine würdige Nachfolgerin der hochverehrten Madame Mara werden.
»Lieber lasse ich mir von einem Pferd eine Arie vorsingen, als dass eine deutsche Sängerin eine Berliner Bühne betritt«, hatte der Alte Fritz mit seinen grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber jeglichen Künstlern und Künstlerinnen deutscher Herkunft verächtlich geschnaubt. Schließlich hatte er, zunächst hinter einer Wand verborgen, heimlich ihrem Gesang gelauscht. La Mara gelang es, ihn von ihrer Kunst zu überzeugen. Friedrich der Große war schließlich so begeistert, dass er sein Inkognito lüftete und die Sängerin fast nötigte, ihm stundenlang vom Blatt vorzusingen. Nur während seiner Flötenstunden mit dem geliebten Lehrer Quantz sei der preußische König jemals so entspannt und gelöst gewesen, wurde fortan bei Hofe kolportiert.
Mit dem ihr eigenen Stimmumfang von drei Oktaven lag bei Eleonora gleichfalls die notwendige Eignung vor. Ihr die erforderliche Schulung und Erziehung zu gewähren, hatte sich Gräfin Dorothea zu einem Herzensanliegen gemacht und den alten italienischen Musiker mit dieser Aufgabe betraut. Andrea Farini war ein Schüler Händels gewesen, hatte sich aber aufgrund seines heftigen Temperaments mit dem Meister überworfen und war aus London zurück auf den Kontinent geflüchtet. Jahrelang war er kreuz und quer durch Europa gereist, ehe er Aufnahme und dauerhaftes Lebensrecht bei den Prewitzens erhielt.
Sein größter Wunsch war es, Eleonora eines Tages am preußischen Königshof vorstellen zu dürfen. Dabei ahnte er nicht, wie nahe er schon an der Erfüllung seines Herzenswunsches war. Genauso wenig, wie bislang Eleonora den Inhalt des Briefs, den sie jetzt zu studieren begann, kannte.
Mit angehaltenem Atem las sie die wenigen Zeilen des königlichen Billetts. Ihr Herz begann zu klopfen, das Blut in ihren Ohren zu rauschen.
Mit wohlgesetzten Worten fragte die junge preußische Königin bei Gräfin Dorothea von Prewitz zu Kirchhagen an, ob »denn Demoiselle Eleonora die Güte habe, einer Einladung nach Schloss Paretz zu folgen«.
»Die Güte!«, ächzte Eleonora erschüttert und fuhr sich verwirrt durch das Gesicht. »Königin Luise fragt, ob ich die Güte hätte …«
Sie konnte es kaum fassen. Atemlos ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Sie lehnte den Kopf in das Kissen zurück und schloss die Augen. Der Brief entglitt ihrer Hand und flatterte zu Boden.
Schloss Paretz. Natürlich wusste sie von der sommerlichen Residenz des königlichen Paars. Noch als Kronprinz hatte Friedrich Wilhelm dem königlichen Baumeister den Auftrag erteilt. »Und möge Er immer dabei bedenken, Er baue für einen armen Gutsherrn«, lautete die Order an David Gilly, der gleichzeitig noch mit der Errichtung der kleinen Dorfkirche betraut wurde.
»Das spricht doch mal wieder für die Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit unseres Königs«, hatte Gräfin Dorothea kommentiert. »So etwas lob ich mir.«
Nicht alle Mitglieder des preußischen Hofstaats wussten die mittlerweile sprichwörtliche Bescheidenheit des jungen Königs zu schätzen. Etliche Angehörige des nicht nur preußischen Adels trauerten der ausschweifenden Hofhaltung von Friedrich Wilhelm II . noch nach. Vor den Augen des alten Schadow hatte aber genau diese überhaupt keine Gnade gefunden.
»Es herrschte größte Liederlichkeit, alles besoff sich in Champagner, fraß die größten Leckereien, frönte allen Lüsten«, hatte der Bildhauer wütend geschimpft. »Ganz Potsdam war ein Bordell. Frauen und Töchter bot man um die Wette an.«
Gräfin Dorothea hatte laut gelacht, als ihr diese deftigen Worte zu Ohren kamen. »Der alte Schadow, das ist mir einer«, amüsierte sie sich.
Umso empfänglicher war der preußische Bildhauer wiederum für den Liebreiz der Luise von Mecklenburg-Strelitz und deren Schwester Friederike gewesen. Aber
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