Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
Vom Netzwerk:
die silberne Sichel des Mondes auf. Ein zweiter Gongschlag ertönte. Eleonora löste sich vom Anblick des winterlichen Stilllebens. Sie fröstelte unwillkürlich und trat an ihre Kommode. Irgendwo musste in einer der Schubladen doch noch ihre Stola liegen.

4
    E leonora musste ein bisschen suchen, ehe sie das gute Stück wiedergefunden hatte. Sie entfaltete das weiche Stoffbündel und schüttelte es aus. Ein verwelktes Rosenblatt fiel zu Boden. Seine Farbe war verblasst. Der Anblick dieses winzigen Sommergrußes stimmte Eleonora melancholisch. Sie breitete die Stola auf ihrem Bett aus und versuchte sie mit bloßen Händen zu glätten. Ein ganz sachter Duft nach Sandelholz und Leder stieg aus dem feinen Gewebe empor. Niemals würde Eleonora diesen Duft vergessen, unwiderruflich war er mit dem Namen Alexander und der Erinnerung dieser lauen Sommernacht verknüpft. Der dritte Gongschlag ertönte. Allerhöchste Zeit, in den Speisesaal zu eilen. Auf Pünktlichkeit wurde bei den Prewitzens allerhöchster Wert gelegt.
    »Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige«, betonte Gräfin Dorothea stets. Als sich Gräfin von Voss in einem ihrer Briefe bitterlich über die chronische Unpünktlichkeit ihrer jungen Herrin beklagte, hatte sie die Stirn gerunzelt. »Dergleichen geziemt sich aber gar nicht für eine preußische Königin«, stellte sie unwillig fest. Ja, bei aller zutage getragenen Nonchalance hatte die Gräfin durchaus ihre Prinzipien, von denen sie nicht abwich. Niemals! So setzte Eleonora nun auch alles daran, so schnell wie möglich im Speisesaal zu erscheinen.
    Gräfin Dorothea präsidierte bereits am oberen Ende der Tafel. Gegenüber am anderen Ende saß ihr Sohn Wilhelm, der kürzlich aus Potsdam angereist war. In den nächsten Tagen wurde sogar Graf Ludovic erwartet, der seine Sauenhatz in den Karpaten beendet hatte und nun gedachte, den Winter auf einem seiner preußischen Wohnsitze zu verbringen. Es war nur noch nicht klar, wo genau.
    Offiziell diente Schloss Sophienhof ja nur als Sommerresidenz, aber in diesem Jahr war dem heißen Sommer ein langer, sehr milder Herbst gefolgt. Noch Ende Oktober hatte man im Schutze einer Pergola auf der Schlossterrasse den five o’clock tea im Freien einnehmen können. Erst in den vergangenen Wochen hatten schwere Herbststürme das letzte Laub von den Bäumen gerissen und den Winter in das Land gefegt. Da auch die märkischen Sommer sehr kühl ausfallen konnten, war das gesamte Schloss mit etlichen hohen Kachelöfen versehen, die nun schon seit mehreren Tagen angezündet worden waren.
    »Es ist wohl endgültig so weit, dass wir unsere Zelte hier ab- und gen Berlin aufbrechen sollten«, eröffnete die Gräfin das Gespräch.
    »Da mögen Sie wohl recht haben, chère maman, wir sollten es alsbald tun, ehe der erste richtige Schnee fällt und wir noch mit den Kutschen fahren können«, pflichtete ihr Sohn Wilhelm bei.
    »Och, so eine Schlittenfahrt durch den verschneiten Wald ist doch auch was Feines«, rief Sophie aus. »Das hat so was Romantisches!«
    »Du mit deiner ewigen Romantik«, meinte ihr Vater ungeduldig. »Eine Schlittenfahrt kann man als eine kleine Lustpartie veranstalten, aber nicht, um von hier bis nach Berlin zu kommen.«
    »Die Herzogin vor Kurland schrieb mir in ihrem letzten Brief, dass sie sogar mit dem Schlitten über die zugefrorene Daugava zu ihren Bällen nach Riga fährt«, erzählte die Gräfin. Es machte ihr einfach zu großen Spaß, ihrem Sohn das Wasser abzugraben. »Aber du hast recht, nach Berlin fahren wir besser mit der Kutsche«, lenkte sie ungewohnt rasch ein.
    »Werden wir dieses Jahr den Winter in Berlin oder in Potsdam verbringen?«, wollte Charlotte nun wissen. »Ich wäre ja für Potsdam.«
    »Das ist bislang noch nicht so richtig geklärt. Ich warte auf die Nachricht, ob die Reparaturarbeiten am Stadtpalais noch rechtzeitig beendet werden konnten. Ihr alle wisst, was davon abhängig ist.«
    Gräfin Dorothea hob ihr Lorgnon und schaute bedeutungsvoll in die Runde. Ihre Schwiegertochter seufzte. Sohn Wilhelm tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab, und Eleonora überlegte, worauf sie anspielte.
    »Unser Debüt, unser Debüt«, riefen Charlotte und Sophie aus einem Mund.
    »Werden wir dieses Jahr gemeinsam debütieren?«, erkundigte sich Charlotte.
    Wegen der aufwendigen Renovierungsarbeiten, die sich viel länger hinzogen als ursprünglich geplant, hatte ihr eigentliches Debüt im vorletzten Jahr ausfallen müssen. Obwohl die

Weitere Kostenlose Bücher