Flamme der Freiheit
ihres eigenen Mannes und ihrer Töchter.
Im Gegensatz dazu hing Elisabeth an ihren beiden Töchtern mit wahrer Affenliebe, bildete sich ein, dass diese ihre Zuneigung mit der gleichen Heftigkeit erwiderten, und tat alles, um sie im besten Licht erscheinen zu lassen. Dazu gehörte natürlich, Charlotte und Sophie angemessen bei Hofe einzuführen. Dass es bislang noch nicht geschehen war, bereitete ihr großes Unbehagen.
»Chère belle-mère, mir wäre wirklich sehr daran gelegen, meine beiden Töchter auf jeden Fall in dieser Saison bei Hofe einzuführen«, nahm sie daher den Gesprächsfaden von soeben wieder auf. »Was meinst du, Wilhelm«, wandte sie sich an ihren Gatten.
Der zuckte gleichmütig mit den Schultern und stocherte in seinem Gemüsefrikassee herum. Wahrscheinlich verdross es ihn, dass es kein Wildschweinbraten war. Die Gewohnheit seiner Mutter, am Abend, wenn keine Gäste an der Tafel saßen, auf eine leichte Kost und Küche zu bestehen, hielt er für eine wahre Unsitte. Noch schlimmer fand er, dass an solchen Abenden auch nur ein ganz leichter Mosel kredenzt wurde. Viel mehr wäre ihm jetzt nach einem schönen schweren Burgunder gewesen. Oder einfach ein ganz normales Bier? Im Dorfkrug von Neu-Prewitz war der dunkle Weihnachtsbock gerade angestochen worden. Er beschloss, nach dem Essen noch zu einem kurzen Plausch in die Stallungen zu schlendern. Der Kutscher Erwin hatte in seiner Kammer stets eine volle Kruke stehen und ein Glas Bier für Herrn Grafen übrig und dazu natürlich auch einen schönen Klaren.
5
B ei dem Gedanken an ein Gespräch unter Männern erhellte sich die verdüsterte gräfliche Miene. Er lehnte sich entspannt zurück und schenkte seiner Frau ausnahmsweise einmal geduldig Gehör.
»Du bist doch auch der Auffassung, dass es an der Zeit ist, Charlotte und Sophie nun endlich bei Hofe einzuführen?«, wiederholte diese.
»Gewiss, gewiss, da kann ich dir nur beipflichten«, erwiderte Graf Wilhelm zuvorkommend.
Im Familienkreise war es üblich, auf die förmliche Anrede zu verzichten. Nachdem sich Luise und ihr Gemahl, der damalige preußische Kronprinz, zum Entsetzen der Gräfin von Voss nach der Hochzeitsnacht in aller Öffentlichkeit duzten, hatte sich diese Sitte mit überraschender Schnelligkeit bei Adels verbreitet. Fünfzehn Jahre nach dem Tod des Alten Fritz war die hölzerne Anrede in der dritten Person fast in Vergessenheit geraten. Eigentlich siezte man sich untereinander, aber mittlerweile war das Du in der engeren Verwandtschaft immer gebräuchlicher geworden.
»Du wirst doch bestimmt schon einige Ideen haben, wie wir unsere beiden schönen Töchter angemessen in die Gesellschaft einführen«, sagte er galant.
Die erwähnten Töchter kicherten geschmeichelt. Deren Mutter errötete vor Freude. Gräfin Dorotheas Augenbrauen fuhren in die Höhe. Eine ironische Bemerkung schien ihr auf den Lippen zu liegen, die sie sich jedoch heldenhaft verkniff. Eleonora lächelte in sich hinein. Sie freute sich schon auf das nächste Geplänkel, das unmittelbar bevorstand. Auf den Mund gefallen war keines der Mitglieder dieser Familie. Man sprach ein geschliffenes Französisch dank der französischen Erzieherinnen, die schon seit Generationen bei Prewitzens zum Haushalt, ja, fast zur Familie gehörten. Wegen der englischen Verwandtschaft beherrschte man auch diese Sprache und wegen der geliebten Musik Italienisch sowieso. Fast unmerklich hatte sich Eleonora so im Lauf der Jahre solide Fremdsprachenkenntnisse angeeignet und war stolz darauf, Walter Scott oder die französischen Philosophen im Original lesen zu können.
Gräfin Dorothea hielt sehr viel auf Bildung und erwartete auch von der jungen Generation, sich mit den alten Griechen und Römern, aber auch mit aktueller Zeitgeschichte, sogar Philosophie auseinanderzusetzen. Sehr zum Leidwesen ihrer beiden Enkelinnen, die sich gerne mit der Lektüre der beliebten Romane von Sophie la Roche begnügt hätten. Auch ihre Mutter Elisabeth konnte sich an deren Werken ergötzen, während Gräfin Dorothea höchstens einmal in den vergilbten Ausgaben von
Pomona
blätterte. Sie hatte einst die Erscheinung der ersten Frauenzeitschrift sehr begrüßt und zollte deren Herausgeberin Sophie la Roche den ihr gebührenden Respekt.
»Auf jeden Fall müssen sie zu dem großen Ball bei Hofe erscheinen«, meinte Gräfin Elisabeth.
»Dann müssen wir aber bald die Schneiderin bestellen, damit sie für unsere Ballroben Maß nehmen kann«, rief
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