Flamme der Freiheit
kleinen Liederabend für eine Abendgesellschaft. Darüber band Schilling sie regelmäßig als Solistin bei Aufführungen von Oratorien und Messen in der Potsdamer und Berliner Kirche ein. Alles in allem leider mehr ein Rückschritt ihrer Sängerinnenlaufbahn, so kam es zumindest Eleonora mittlerweile vor. Auch so ein triumphaler Auftritt wie anlässlich der wunderschönen Sommeraufführung von
Orpheus und Eurydike
auf dem Sophienhof hatte sich nicht mehr wiederholt, denn während der nächsten Jahre hatte Gräfin Dorothea ihrem Haushalt absolute Sparsamkeit verordnet. Das Debüt und die so rasch folgenden Hochzeiten ihrer beiden Enkelinnen hatten die einst wohl gefüllte Schatulle von Gräfin Prewitz zu Kirchhagen fast bis auf den Grund geleert.
Graf Ludovic war niemals ein Kind von Traurigkeit gewesen und seit Jahrzehnten gewohnt, dass seine Gemahlin seine Spielschulden diskret ausglich. Sohn Wilhelm von Prewitz zu Kirchhagen und seine Frau Elisabeth liebten es gleichfalls, auf großem Fuße zu leben, bis Gräfin Dorothea eines Tages all dieser Verschwendung resolut Einhalt gebot.
»Und wir sind mit dieser Lebenshaltung »absolutement à la mode«, hatte sie den Protest ihrer Familie abgewürgt. »Nehmt euch nur ein Beispiel an unserem jungen Königspaar.«
Von dessen Bescheidenheit durfte Eleonora sich eines Tages schließlich selbst ein Bild machen.
In den Turbulenzen des Jahres 1802 wäre die Einladung der Königin nach Schloss Paretz fast in Vergessenheit geraten. Nach dem Debüt von Sophie und Charlotte, dem plötzlichen Tod des alten Maestro Farini, der Gräfin Dorothea tiefer getroffen hatte, als sie es sich nach außen hin anmerken ließ, folgten in kurzem Abstand die Vermählungen der beiden Komtessen. Schließlich war es die Hofdame und mütterliche Freundin der jungen Königin, die Gräfin Dorothea in einem ihrer Briefe daran erinnerte. Unbeschreiblich schnell war das Jahr 1802 vorbei gewesen. So stille beschauliche Feiertage wie beim Jahreswechsel zu 1803 hatte Eleonora im Stadtpalais der Prewitzens niemals zuvor erlebt.
»Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich mit einem solchen Aufwand die Etage für euch jungen Mädchen herrichten ließ«, sagte Gräfin Dorothea einmal zu Eleonora. »Hätte ich gewusst, wie schnell die jungen Vögelchen flügge werden und ihr Nest verlassen, hätte ich mir diese Kosten sparen können. Aber gut, umso mehr Raum hast du nun für dich«, setzte sie lächelnd hinzu. So wurde Sophies Zimmer in einen Arbeitsraum und Studierzimmer verwandelt, Charlottes Zimmer sollte in Zukunft als Gästezimmer dienen.
Am 23 . Januar 1803 kam als siebtes Kind und vierte Tochter des preußischen Königspaars die kleine Prinzessin Friederike Wilhelmine Alexandrine Marie Helene in Berlin zur Welt. In dem Brief an ihre alte Freundin zählte die penible Gräfin von Voss alle Vornamen des jüngsten königlichen Sprosses vollständig auf. Mutter und Kind seien wohlauf. Königin Luise freue sich jetzt schon auf ihren Sommeraufenthalt im geliebten Schloss Paretz. Ob die Monate August oder September für ihre Freundin und deren Schützling nicht endlich Gelegenheit böten, der königlichen Bitte oder formlosen Einladung, doch einmal die Sommerresidenz zu besuchen, nachzukommen, fragte sie in einem Postskriptum vorsichtig an.
Was für eine Frage!
»Eleonora, ich kann es kaum glauben, dass wir beide diesen Brief vergessen konnten«, sagte Gräfin Dorothea kopfschüttelnd. »Du weißt wohl gar nicht zu ermessen, was für eine Auszeichnung es darstellt, dem Königspaar in diesem intimen Rahmen vorsingen zu dürfen. Wo ist der Brief überhaupt? Ich kann ihn in meiner Korrespondenz nicht mehr finden? Habe ich ihn nicht dir überlassen?« Fragend schaute sie Eleonora an.
»Ich habe ihn aufbewahrt, er liegt oben in meinem Zimmer in der Kommode«, bestätigte Eleonora und verschwieg, dass sie das königliche Schreiben vorsichtig in die Stola, die sie am Abend ihrer Premiere getragen hatte, eingewickelt hatte.
»Ich werde der Gräfin schreiben, dass wir uns in diesem Sommer gerne für ein paar Tage in Paretz einlogieren möchten«, verkündete Gräfin Dorothea und griff zu ihrer Schreibfeder.
»Direkt im Schloss?«, vergewisserte sich Eleonora atemlos.
»Wir werden sehen«, entgegnete die Gräfin geheimnisvoll.
Es war dann nicht das Schloss selbst geworden, sondern man hatte die Gräfin Dorothea mit ihrem Schützling und den beiden Zofen Emma und Paula im Haus des Gärtners einquartiert, der
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