Flamme der Freiheit
Alexandrine in den Arm, um sich besser ihren Gästen widmen zu können. Die jüngste preußische Prinzessin kreischte vergnügt und streckte dem entzückten Vater ein winziges Fäustchen entgegen. In Sekundenschnelle schien der eifersüchtige Stich, den der Gatte bei Erwähnung des schönen Fürsten Metternich verspürt haben musste, vergessen. Luise wandte sich nun Gräfin Dorothea zu. Einladend wies sie auf einen leerstehenden Stuhl an ihrer Seite.
»Setzen Sie sich zu mir, meine Liebe, wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen. Sie lassen sich so selten bei Hofe blicken«, forderte sie Gräfin Dorothea auf. »Wie geht es Ihrem Gatten, schon wieder auf der Jagd im Kurland? Und Ihre beiden entzückenden Enkelinnen? Es hat sie ja weit fort von Berlin verschlagen. Ob sich Charlotte im kalten Schweden jemals heimisch fühlen wird?«
»Ich glaube, die innige Liebe zu ihrem schwedischen Gatten wird sie die kalten dunklen Winter vergessen lassen und warm halten«, entgegnete die Gräfin lächelnd und leistete der Aufforderung der jungen Königin Folge. Im Nu waren die beiden Frauen in ein angeregtes Gespräch vertieft, wirkten völlig unbefangen und vertraut miteinander.
Eleonora atmete tief durch. Verschwunden war ihre anfängliche Beklommenheit. Sie schaute sich um. Sie befanden sich in der Ecke eines großen schmalen Speisesaals, in dem einige Diener noch letzte Hand an der gedeckten Tafel anlegten. Die Türen des Saals standen weit offen, durch die der süße, schwere Duft eines späten Sommerabends einströmte. Eigentlich war es kaum anders als auf dem geliebten Sophienhof, kam es Eleonora vor.
Nur, dass hier nicht Gräfin Dorothea Regie führte, sondern selbst einmal Gast war. Ein hochwillkommener Gast. Das schien sie sogar sehr zu genießen, wie das helle Auflachen, mit dem sie gerade eine Bemerkung der Königin quittierte, bewies. Eleonora beobachtete die Königin verstohlen.
In Wirklichkeit war sie tatsächlich schöner als alle Bilder, die sie bislang gesehen, und Beschreibungen, die sie über sie gehört und gelesen hatte. Trotz der vielen Schwangerschaften hatte sie sich ihre mädchenhafte Figur bewahrt. Königin Luise war ungewöhnlich groß, fast so groß wie sie selbst. Das wiederum war für Eleonora ungewohnt, einer Frau einmal Auge in Auge gegenüberzustehen. Und was für Augen! Sie strahlten eine solche Wärme und Herzlichkeit aus, genauso wie das unwiderstehliche Lächeln, das ihre Worte meist begleitete. Liebreiz, schoss Eleonora durch den Kopf, das war das richtige Wort, das auf Königin Luise zutraf. Das Herz der jungen Potsdamerin flog ihrer schönen Königin zu. Plötzlich spürte sie, wie etwas an ihrem Rock zupfte. Irritiert schaute sie hinab und blickte in fast die gleichen blauen Augen, die sie eben so bewundert hatte. Jetzt erkannte sie sie im Gesicht von Prinzessin Charlotte wieder. Diese Augen konnte sie nur von ihrer Mutter geerbt haben.
»Was wirst du uns denn nach dem Essen vorsingen?«, erkundigte sich das kleine Mädchen ohne jegliches Zeremoniell und schaute neugierig zu Eleonora empor. Diesem Pausbackgesicht war gleichfalls nicht zu widerstehen.
»Was möchtest du denn hören?«, fragte Eleonora lächelnd zurück.
»Och, ich weiß nicht, vielleicht ›Der Kuckuck und der Esel‹, das finde ich so lustig. Kennst du das?«, entgegnete Charlotte und steckte nachdenklich den Finger in den Mund.
»Nein, leider nicht«, bedauerte Eleonora.
»Soll ich es dir vorsingen?« Die kleine Prinzessin holte tief Luft.
»Mais, Votre Altesse, Charlotte, ich muss doch sehr bitten!«, meldete sich eine tiefe Stimme aus dem Hintergrund.
»Ach, liebe Gräfin von Voss, lassen Sie doch das Kind«, wandte sich Königin Luise sofort begütigend an ihre alte Hofdame. Diese seufzte nur und verstummte. Königin Luise erhob sich und bat an die Tafel. Auch das Essen auf Schloss Paretz erinnerte Eleonora an die Mahlzeiten von Schloss Sophienhof, nämlich reichlich, aber nicht zu üppig.
Es war eine kleine, feine Tischgesellschaft, die sich an diesem Abend im Speisesaal von Schloss Paretz vereinte. Eleonora hatte man Kapellmeister Himmel als Tischherrn zugedacht. Er selbst stellte sich ihr vor.
»Ich freue mich sehr, nun endlich persönlich Ihre Bekanntschaft zu machen, denn ich habe schon viel von Ihnen gehört. Eine ganz besondere Freude wird es mir sein, Sie nachher auf dem Klavier begleiten zu dürfen.«
Es tat Eleonora gut zu erfahren, dass man sie in Musikerkreisen doch noch nicht vergessen
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