Flamme der Freiheit
seinerseits samt Familie während der Sommermonate im Bauernhaus seiner Schwiegereltern in der Nähe von Utz vorübergehend Unterschlupf fand. So machten das viele Paretzer Dorfbewohner, um den Angehörigen des Berliner Hofstaats Logis zu bieten. Im Schloss selbst wohnten nur die engsten Angehörigen der Familie und natürlich Gräfin von Voss. Eleonora machte die Bekanntschaft dieser einflussreichen Hofdame zwei Tage, ehe sie dem Königspaar vorgestellt wurde. Sophie Marie Gräfin von Voss war eine ehrfurchtgebietende alte Dame, die Eleonora eine gehörige Portion Respekt einflößte. Das musste auch in ihrem Gesicht abzulesen gewesen sein.
»Sie müssen keine Angst vor mir haben«, beschwichtigte sie Eleonora. »Mir ist nur sehr daran gelegen, dass alles comme il faut verläuft, neigt doch meine Königin selbst dazu, sich auch heute noch höchst unkonventionell zu verhalten und sehr spontan zu reagieren.«
Das Gesicht von Gräfin von Voss spiegelte bei diesen Worten weniger Kritik als eine große Zuneigung zu ihrer jungen Herrin wider.
»Was ziehe ich an?«
Für den Abend ihres Auftritts war diese Frage schnell gelöst. Nach einigem Nachdenken hatte Eleonora sie sogar selbst beantwortet.
»Ich würde so gerne noch einmal das Kleid, das Sie mir auf Sophienhof geschenkt haben, tragen. Ich habe anderweitig doch so wenig Gelegenheit dazu gehabt«, hatte sie gesagt.
»Eine hervorragende Idee. Dann soll Mademoiselle Durand nur noch einmal die Nähte kontrollieren und sich von seinem Sitz überzeugen. Es wird dir doch noch passen?« Prüfend ließ sie den Blick über die ihr gegenübersitzende Eleonora gleiten. »Du bist weiblicher geworden, nun ja, du bist erwachsen. Mit zwanzig war ich bereits das dritte Mal guter Hoffnung. Mit ihren neunundzwanzig Jahren hat Königin Luise sogar schon das siebte Kind geboren.« Obwohl Gräfin Dorothea gerade mit sich selbst zu sprechen schien, errötete Eleonora bei ihren Worten.
»Ich werde niemals heiraten«, sagte sie leise.
Gräfin Dorothea wandte sich ihr überrascht zu. »Das werden wir ja sehen«, entgegnete sie resolut. Du bist doch eine richtig gute Partie. Du weißt nur gar nicht, dass ich mittlerweile eine hübsche Summe vom Kostgeld deines Vaters für dich angespart habe, setzte sie im Geiste hinzu. Irgendwann würde sie ihren Schützling davon in Kenntnis setzen müssen. Aber heute nicht, verdrängte sie die mahnende Stimme in ihrem Inneren.
Obwohl Gräfin von Voss sie zuvor genau eingewiesen hatte, verlief Eleonoras Besuch auf Schloss Paretz erstaunlich unzeremoniell. Es war auch kein richtiger Auftritt, der von der jungen Sängerin erwartet wurde, sondern mehr ein geselliger Abend im Kreise der königlichen Familie, untermalt von einigen Liedern und Arien, die Eleonora auf Zuruf zum Besten gab.
Dennoch war Eleonora natürlich furchtbar aufgeregt, als sie Seite an Seite mit Gräfin Dorothea im schmalen Speisesaal von Schloss Paretz auf das königliche Paar zuschritt. Friedrich Wilhelm stand im Kreise der Kinder, die den Damen neugierig entgegenschauten. Königin Luise saß auf einem hochlehnigen Stuhl und hielt die vier Monate alte Alexandrine im Arm. Das Baby krähte fröhlich und brabbelte vor sich hin, zum Entzücken seines Vaters, der Frau und Kind lächelnd beobachtete. Im Verhalten des Königs war nichts von Verdrießlichkeit, die man dem preußischen Oberhaupt so häufig nachsagte, zu entdecken. Hier stand ein Familienvater im Kreise seiner Lieben, der sich offenkundig wohl fühlte und sich des Anblicks seiner wohlgeratenen Kinderschar erfreute. Und Luise?
Sie ist ja in Wirklichkeit noch viel schöner als auf den Bildern und von anderen beschrieben, dachte Eleonora atemlos, als sie in einen tiefen Hofknicks versank.
»Ach, meine Liebe, lassen Sie das doch, wir sind doch nicht im Berliner Schloss«, wehrte die junge Königin ab. Sie verlagerte die kleine Alexandrine auf ihre linke Seite und streckte die Rechte aus. Eleonora ergriff sie. Es war eine schmale, weiche Hand, die sie jetzt aber mit erstaunlicher Kraft in die Höhe zog. »Was für ein entzückendes Kleid haben Sie an. Es erinnert mich an mein eigenes Ballkleid, in dem ich damals im Jahre der Kaiserwahl in Frankfurt den Ball eröffnete. Mein Tanzpartner war der schöne Fürst Metternich.«
Täuschte sich Eleonora, oder verzog Friedrich Wilhelm gerade unwillig das Gesicht? Zumindest war sein Lächeln verschwunden. Luise hatte es umgehend bemerkt und legte ihrem Gatten spontan die kleine
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