Flamme von Jamaika
in der Hand.
«Lass gut sein», bemerkte sie matt. «Meine Angst vor ein paar blöden Ratten ist geradezu lächerlich. Zumindest im Vergleich mit dem, was Tausenden von Männern und Frauen dort draußen tagtäglich widerfährt. Du musst mich für eine ziemlich arrogante Idiotin halten, hab ich recht?»
«Nein», erwiderte er und schüttelte den Kopf, wobei er seine angespannte Haltung aufgab, die Machete wegsteckte und sich wieder zu ihr setzte. «Woher hättest du denn wissen sollen, was dort draußen geschieht?», kam er ihr voller Verständnis entgegen. «Du stammst aus einer völlig anderen Welt. Wie solltest du um all die komplizierten Verstrickungen wissen, die unser Dasein in eine ausgekochte Hölle verwandeln.»
«Ich komme mir schäbig vor, weil ich die Situation der Sklaven auf Redfield Hall nicht eher erkannt habe», erklärte sie leise. Dann fügte sie mit fester Stimme hinzu: «Nach allem, was ich gesehen habe, kann ich nicht einfach so weitermachen wie bisher. Selbst wenn ich dir zuliebe zu Edward zurückgehe, wird es nicht für lange sein. Ich kann in Zukunft nicht die treusorgende Ehefrau für ihn spielen, aber ich kann auch nicht einfach davonlaufen und tun, als ob mich all das, was ich durch dich erfahren habe, nichts anginge. Ich muss mehr tun. Das musst du doch verstehen, oder?»
«Du bist ein tapferes Mädchen», bekannte Jess und drückte ihr anerkennend die Schulter. «Ich bin sicher, dass uns etwas einfallen wird, wie wir dieses Problem am besten lösen.»
«Wie machst du das nur?», fragte sie mit aufrichtiger Bewunderung in der Stimme. «Du hast dieses Leid schon ein ganzes Leben ertragen … wie ist es möglich, dass du noch nicht zerbrochen bist, sondern anderen Menschen zu Hilfe eilst und dein Leben für sie einsetzt, anstatt einfach zu verschwinden? Es erscheint mir wie ein Wunder.»
Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln.
«Du schmeichelst mir», sagte er und sah ihr tief in die Augen, was sie ganz unruhig machte. «Dass ich an all dem nicht zerbrochen bin, liegt nicht an mir. Es ist Gottes Wille. Wen er liebt, den lässt er leiden. Das hat schon meine Mutter immer behauptet. Nur so bist du in der Lage wertzuschätzen, was wahres Glück bedeutet. Nur so kannst du über dich selbst hinausgehen und die Bedürftigkeit der anderen erkennen. Ich bin meinem Schöpfer dankbar dafür, dass er mir eine Chance gibt, die Welt ein kleines bisschen zu verbessern.»
Sie lächelte und wich seinem einnehmenden Blick aus.
«Du wärst ein wunderbarer Priester», sagte sie leise. «Obwohl du überhaupt nicht so aussiehst.»
Ihr Blick streifte seine muskulösen Arme und die breiten Schultern, und sie musste grinsen.
«Das täuscht», erwiderte er, ohne näher darauf einzugehen, was er damit meinte.
«Ich versuchte mir gerade vorzustellen, wie dein Weg verlaufen wäre, wenn du die gleichen Chancen wie Edward gehabt hättest. Dann wäre Redfield Hall heute sicherlich ein besserer Ort.»
«Wahrscheinlich hätte ich andere Fehler gemacht», bekannte er zweifelnd.
«Das vermag ich mir beim besten Willen nicht vorzustellen», erklärte sie ein klein wenig verlegen. «Du scheinst mir ein Mann zu sein mit Verantwortungsgefühl für alles, was dich umgibt. Edward dagegen ist nur ein verwöhnter, geschniegelter Dandy.»
«Das nenne ich ein echtes Kompliment», raunte er schmunzelnd und rückte unmerklich ein ganzes Stück näher.
Während es draußen vor der Höhle laut donnerte, konnte Lena seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren. Sie wich nicht zurück, als er sie mit seinen geradezu magischen Augen fixierte, aus denen mit einem Mal alles Priesterhafte verschwunden war.
«Nicht wenige weiße Frauen würden mich dafür hassen, wenn ich sie entführen und in einen Käfig sperren würde. Aber du bist anders. Und dafür danke ich dir.»
Für einen Moment verschmolzen ihre Blicke im Halbdunkel.
Er fasste sie bei den Schultern und zog sie zu sich heran, dabei blickte er ihr weiterhin tief in die Augen.
«Ich kann verstehen, dass du nicht mehr zu deinem Mann zurückgehen willst. Aber du könntest drei Leben und meins dazu retten, wenn du es trotzdem tust, und sei es auch nur für einen einzigen Tag.»
Lena nickte kaum merklich.
«Und was ist, wenn Edward mich nicht zurückhaben will?»
Jess blinzelte irritiert und ging ein wenig auf Abstand. Er musterte sie, als ob er ihr Aussehen einer erneuten Prüfung unterziehen müsste. Nach einem kurzen Innehalten setzte er ein zuversichtliches Lächeln
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