Flamme von Jamaika
Frau in der Hand irgendwelcher Rebellen befindet, wenn nicht einmal ein Beweis erbracht ist, dass diese Schweine die richtige Person in ihrer Gewalt haben?»
«Genau das ist der Punkt», sagte plötzlich eine verhältnismäßig hohe Stimme, die – als Edward herumfuhr – zu einem blassgesichtigen, dunkelblonden Mann gehörte, der soeben das Büro betreten hatte.
Sein kurz geschnittenes Haar war korrekt gescheitelt und mit Pomade in Form gebracht worden. Er trug die dunkelblaue Uniform eines Kommodore der Royal Navy. Bis auf den feinen Rock mit unzähligen Orden daran war er eine unauffällige Erscheinung. Jedoch verriet der Blick des jungen Mannes ein gewisses Jagdfieber, das Edward beunruhigte.
«Darf ich mich vorstellen», sagte er mit einem arroganten Lächeln und streckte Edward mit einer angedeuteten Verbeugung seine weibische Hand entgegen. «Kommodore Dr. Luis Bolton, staatlich vereidigter Advokat der Marine. Zu Ihren Diensten, Sir.»
«Und was in Gottes Namen hat die Marine mit dieser Sache zu tun?» Edward schaute ihn misstrauisch an.
«Ich leite bereits seit längerem im Auftrag des königlichen Geheimdienstes die Ermittlungen im Fall einer noch nicht lange bestehenden Rebellenorganisation, die sich die
Flamme von Jamaika
nennt. Diese Verschwörer bereiten uns seit einiger Zeit Kopfzerbrechen. Wir vermuten dahinter einen Zusammenschluss aus abtrünnigen Maroon, Mitgliedern der nonkonformistischen Baptistengemeinden unter der Leitung von Prediger William Knibb und einer neu formierten Rebellenelite, die sich überwiegend aus Negern mit weißen Vorfahren zusammensetzt. Wir sehen zudem eine Verbindung zwischen dem Vorfall anlässlich Ihrer Vermählung, bei der zwei von Captain Peacemakers Männern getötet wurden, und dem jetzigen Verschwinden Ihrer Gattin. Wobei wir noch im Dunkeln tappen, wie diese Entführung überhaupt vonstattengehen konnte. Wissen Sie irgendetwas darüber? Wo hat sich Ihre Frau aufgehalten, als sie entführt wurde? Gibt es Zeugen?»
«Keine Ahnung», erklärte Edward überrumpelt. «Sie war bei meiner Patentante auf Rosenhall zu Besuch. Heute Morgen kam mein Bursche, der sie begleitet hat, nach Redfield Hall und erklärte, sie sei spurlos verschwunden. Seitdem sind meine Männer und ich auf der Suche nach ihr. Was uns letztendlich hierher geführt hat.»
Edward vermied es geflissentlich, auf die Gegenwart von Maggie einzugehen. Dabei kam ihm zu Hilfe, dass niemand von ihm erwarten würde, sich Sorgen ums Personal zu machen. Falls Bolton bei den Ermittlungen auf sie stieß, war immer noch genug Zeit, um über Maggie zu sprechen. Und spätestens dann wäre sie ebenso unauffindbar. Sollte er ruhig annehmen, dass die Rebellen auch das Leben der Gesellschafterin auf dem Gewissen hatten.
«Welchem Glauben gehört Ihre Frau an? Hatte sie Kontakte zu den Baptisten, und wie steht sie zur Sklaverei?»
«Hören Sie», antwortete Edward erbost. «Wie reden Sie eigentlich von meiner Frau? Wir sind Anglikaner und haben mit den Baptisten nicht das Geringste zu schaffen. Mein Vater ist Ehrenmitglied im europäischen Club, in dem es fast schon zum guten Ton gehört, glühender Gegner aller Feinde der anglikanischen Kirche zu sein.
Im Übrigen ist Colonel Brown, der sich im Club sehr engagiert, ein persönlicher Freund meines Vaters. Und was die christliche Gesinnung meiner Frau betrifft: Bis zu unserer Hochzeit gehörte sie der evangelisch-lutherischen Kirche an. Mit dem Tag der Vermählung ist sie zur anglikanischen Kirche übergetreten.»
Edward redete sich zunehmend in Rage.
«Und überhaupt, was soll diese dämliche Frage mit den Sklaven? Redfield Hall hat einen der höchsten Sklavenanteile auf dieser Insel. Denken Sie ernsthaft, meine Frau hätte mir ihr Jawort gegeben, wenn sie etwas gegen die Sklavenhaltung gehabt hätte?»
«Vielleicht wollte sie mit ihrer Heirat Veränderungen einleiten?»
Der Ermittler ließ nicht locker.
«Ich bitte Sie», beschwor ihn Edward. «Das ist absurd. Sie ist kaum über zwanzig, fast noch ein Kind – sie hat gar keine Ahnung von dem, was hier passiert, geschweige denn, dass sie politische Ambitionen verfolgt.»
Für einen Moment schien Bolton der Nachschub an Fragen ausgegangen zu sein.
«Haben Sie denn gar keine Ahnung, wo sie sein könnte?», fragte Edward den jungen Ermittler scheinheilig, um von sich selbst und Lena abzulenken. «Ich meine, wenn Sie schon Ihre Geheimdienste aktivieren, um dieser unseligen Rebellentruppe habhaft zu werden,
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