Flamme von Jamaika
Cato mit bissiger Miene, als sein Schreiber in Gegenwart von Jess die kryptische Botschaft verlas. «Haben die denn gar keine Angst um ihr Täubchen?»
«Solange sie tun, was wir wollen, ist es in Ordnung», beschwichtigte Jess seinen Häuptling, obwohl auch er sich Sorgen machte, dass hinter dieser Verzögerung vielleicht eine hinterlistige Falle lauerte.
Doch das sagte er nicht, weil er Lena dadurch nur in noch größere Gefahr bringen würde.
«Wie benimmt sich unser eingesperrtes Vögelchen denn?», wollte Cato wissen und setzte dabei eine grimmige Miene auf. «Jammert sie herum, wie man es von einer weißen Schlampe erwarten würde?»
«Nein, sie trägt ihr Schicksal mit Würde», gab Jess halbwegs gelassen zurück. «Ich konnte ihr zu verstehen geben, dass es keinen Sinn hat, sich gegen uns aufzulehnen. Und dass sie zu ihrem Mann zurückkehren darf, wenn sie vernünftig ist und sich ruhig verhält.»
«Dann sorg dafür, dass es in den nächsten zwei Wochen so bleibt», befahl Cato ihm mit einem vieldeutigen Blick. «Auch wenn ich mir vorstellen könnte, dass sie heulend zusammenbricht, wenn sie weiterhin auf ihren üblichen Luxus verzichten muss.»
Er grinste gehässig. Zwei lange Wochen, dachte Jess mit gemischten Gefühlen, als er zu Lenas Gefängnis zurückmarschierte. Dabei war ihm nicht klar, wie er sie bis dahin im Zaum halten sollte.
«Es ist mir egal, Jess, ob ich weiterhin zur feinen Gesellschaft gehöre», hatte sie ihm erst gestern gesagt. «Wenn ich dafür all diese bitteren Wahrheiten ignorieren muss, die du mir offenbart hast, will ich nicht länger eine von ihnen sein, hörst du? Ich könnte sämtliche Kosten für den Abtransport der Flüchtlinge übernehmen», hatte sie Jess in einem Anflug von Großmut erklärt, der in seinen Augen an Wahnsinn grenzte.
Sie ist verrückt, dachte er. Vollkommen verrückt. Großer Gott, sie bemerkt es nur nicht. Hinzu kam, dass sie keinerlei Ahnung hatte, wie weit Cato in Wahrheit zu gehen bereit war und dass er über Lenas wahnwitzige Angebote nur lachen würde, falls er davon erführe. Lena war anscheinend nicht aufgefallen, dass es nicht nur um die Befreiung von ein paar Sklaven ging. Cato und seine Anhänger wollten mehr. Viel mehr. Schon bald würde man sämtliche Plantagen der Weißen niederbrennen, ihre Frauen schänden und ihnen alles nehmen, was sie auf dieser Insel besaßen, ihr kleines, beschissenes Pflanzerleben mit inbegriffen.
Lena durfte davon auf keinen Fall erfahren, denn dann wäre sie wohl kaum bereit, Jess und den Verurteilten mit ihrer Rückkehr nach Redfield Hall zu helfen. Seine Aufgabe war es allein, Lena nach der geplanten Befreiung der drei Gefängnisinsassen in die Freiheit zu entlassen. Dabei hatte er längst beschlossen, dass er sie auch danach noch beschützen wollte. Sei es gegenüber ihrem vermaledeiten Ehemann oder Catos geplantem Feuersturm. Doch zunächst einmal musste er sich selbst schützen. Sie war eine atemberaubend schöne Frau. Wie er es schaffen sollte, in den nächsten zwei Wochen nicht nur seine Finger bei sich zu behalten und damit verbunden Herz und Verstand, war ihm ein Rätsel.
Commodore Bolton und sein Assistent Pearce, der mit seinen ständigen Rückfragen eine gewisse Übereifrigkeit an den Tag legte, konnten es offenbar kaum erwarten, endlich einen handfesten Ermittlungserfolg zu erlangen, als sie am nächsten Tag zusammen mit Edward und seinem Vater nach Rosenhall aufbrachen.
Am Abend zuvor war es Edward mit wenigen Worten gelungen, den herausgeputzten Liebhaber seiner Tante vor dem geistigen Auge des Advokaten in einen brandgefährlichen Rebell zu verwandeln. Auf Boltons Geheiß wurden noch in der Nacht sechs Scharfschützen des 84 th Rifle Regimentes aus Fort Littleton auf die knapp zwanzig Meilen entfernte Plantage von Lady Fortesque bestellt.
Die Elitesoldaten hatten bis spätestens zwölf Uhr mittags anzutreten, um den Advokaten und sein Gefolge vor angriffslustigen Sklaven zu schützen. Später würde man den Verdächtigen Joshua Jones, auch ‹Candy› genannt, nach Spanish Town eskortieren, damit Bolton ihn nach seiner Vorführung beim obersten Richter von Jamaika einem ersten Verhör unterziehen konnte.
Edwards Vater schlug vor, dass Lady Elisabeth zugegen sein solle, wenn die Anklagepunkte gegen Candy Jones aufgelistet wurden, damit ihr klarwurde, wie ernst die Lage war. Lord William äußerte Edward gegenüber die Hoffnung, dass dieses Vorgehen seine Tante zur Vernunft bringen würde,
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