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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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wobei sie bitterlich weinte.
    Edward empfand das Verhalten seiner Tante als äußerst unpassend, und auch seinem Vater war die Entrüstung über Lady Elisabeths merkwürdiges Benehmen anzusehen. Auf Geheiß von Bolton bückte sich Pearce und löste gewaltsam die Arme der Lady, auf dass man ihren Sklaven endlich abführen konnte. Währenddessen blieb Edwards Tante am Boden hocken und bettelte vor Commodore Bolton um das Leben ihres Geliebten. Ungeachtet jedweder Würde, die sie zweifellos vor den Männern einbüßte, trommelte sie mit ihren molligen Fäusten auf die harten Steine. Dabei warf sie den Kopf so heftig hin und her, dass sich ihre blonde Perücke löste und sich mit einer plötzlich aufkommenden Windböe wie eine Sturmkugel davonmachte. Keiner der Männer dachte daran, das kostbare Haarteil zu retten.
    Lord William gab Dr. Lafayette einen Wink, und gemeinsam brachten sie die völlig derangierte Lady auf die Füße, wo sie sich nur mit Hilfe ihrer Unterstützung auf den Beinen hielt. Eingeknickt in den Knien und unter andauerndem Schluchzen, bot sie ein Bild des Jammers. Durch die vielen Tränen bahnte sich ihre Wimperntusche in pechschwarzen Rinnsalen den Weg hinab zu ihrem Doppelkinn, um sich in Mund und Kinnfalten abzusetzen, was sie mitsamt ihrer weißen Schminke wie eine schlecht bemalte Marionette aussehen ließ.
    «Kommen Sie», schlug Dr. Lafayette in beschwichtigendem Tonfall vor und zerrte die Lady mit sanfter Gewalt in Richtung Haupteingang. «Ich verabreiche Ihnen ein stärkendes Beruhigungsmittel, und Sie legen sich eine Weile ins Bett. Vielleicht ist ja alles nur ein großes Missverständnis, und morgen sieht die Welt schon ganz anders aus.»
    «Sie werden ihn töten», flüsterte sie heiser, wobei sie nur noch bedingt Widerstand leistete und von neuem zu weinen begann. «Ich bin alt genug, um zu wissen, dass das alles nur ein Vorwand ist, um einen Schuldigen zu finden.»

    «Es ist mitten in der Nacht! Was hast du vor?», fragte Lena mit Erstaunen in der Stimme, als Jess unerwartet in ihrem Käfig auftauchte.
    Ihr Haar war zerzaust und ihr Blick nicht gerade freundlich, als Jess sie anders als sonst nicht mit einer Fackel, sondern nur mit einem spärlichen Öllicht beleuchtete. Sie hatte sich bereits schlafen gelegt, nachdem er sie nach dem gemeinsamen Abendessen mit dem Hinweis, noch etwas erledigen zu müssen, in ihrem Gefängnis zurückgelassen hatte.
    Nach der letzten Mitteilung des Gouverneurs, was die Verhandlungen zu ihrer Freilassung betraf, hatte Jess damit aufgehört, sie in den Fortgang der Dinge einzuweihen. Angeblich weil er sie nicht ängstigen wollte. Sie wusste nur, dass es noch länger dauern konnte, bis es zu ihrer Freilassung kam. Aber auch Lena war nicht mehr sicher, ob sie ihm vorurteilsfrei vertrauen konnte. Jedenfalls machte er weiterhin keine Anstalten, den Käfig offen zu lassen, wenn er sie in ihrer Höhle allein ließ. Dabei hätte sie ihn so gerne davon überzeugt, dass sie ihm und seinen Leuten helfen wollte. Aber all ihre Vorschläge, nach dem Austausch heimlich zu ihm zurückzukehren und sogar ihre eigenen Mittel einzusetzen, um entflohene Sklaven ins Ausland zu schaffen, hatte er ohne Erklärung zurückgewiesen. Das hatte sie getroffen.
    Trotzdem hatte er sich weiterhin alle Mühe gegeben, ihr den Aufenthalt in dieser Abgeschiedenheit so angenehm wie möglich zu gestalten. Vielleicht war seine unerwartete Fürsorge daran schuld, dass ihre Bewunderung für diesen großen, breitschultrigen Kerl von Tag zu Tag mehr gewachsen war. Nicht nur sein Mut als Rebell gegen die weißen Sklavenschänder, auch dass er keine Angst hatte, für seine Ideale zu sterben, imponierten ihr sehr.
    Auch sein Äußeres ließ ihr Herz auf der Stelle höher schlagen. Seine urwüchsige Kraft, sein sensibler Mund und das verhaltene Lachen, wenn sie etwas sagte, das ihn anscheinend amüsierte, entzückten sie. Dazu die Ernsthaftigkeit, die in seinen schönen, bernsteinfarbenen Augen lag, wenn er ihr mal wieder einen dieser unergründlichen Blicke zuwarf, von denen sie nicht wusste, was sich dahinter verbarg. Sie hoffte, es wäre Zuneigung, wenn nicht sogar Liebe. Er musste doch spüren, wie sehr sie sich nach seiner Nähe sehnte. Trotzdem hielt er sie auf Abstand. Auch wenn aus seinen Augen ein eindeutiges Verlangen sprach, hatte er nicht einmal versucht, sie zu küssen.
    «Lass dich überraschen, Prinzessin», sagte er leise. Und zum ersten Mal seit langem benutzte er wieder den

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