Flamme von Jamaika
erwiderte sie mit der Kampflust einer Löwin, die ihr Junges verteidigt. «Ich würde zwei Hände für ihn ins Feuer legen und meine Füße noch dazu, wenn es sein muss.»
«Ich kann verstehen, Elisabeth, dass dir eine solche Anschuldigung nahegeht. Wir sagen ja auch gar nicht, dass er tatsächlich etwas damit zu tun haben muss», fügte Lord William mit einer erstaunlichen Sanftmut hinzu, von der zumindest Edward wusste, dass es sich um ein wahres Meisterwerk der Heuchelei handelte. «Wir haben lediglich gewisse Hinweise erhalten, denen Dr. Bolton nachgehen möchte. Schließlich geht es um Lenas Leben. Wir wollen nichts unversucht lassen, um sie möglichst rasch und heil nach Hause zurückzuholen.»
Lady Elisabeth schnippte beiläufig mit den Fingern, woraufhin ihr Butler herbeieilte, der an der Tür gestanden hatte und die Diskussion offenbar aufmerksam verfolgte.
«Adam, geh doch bitte in die Küche und bring mir ein großes Glas Gin mit Wasser und einer Limonenscheibe, so wie ich es gerne mag.»
Edward glaubte gesehen zu haben, wie sie dem älteren Schwarzen vertraulich zugezwinkert hatte. Doch dann wandte sie sich, ohne mit der Wimper zu zucken, wieder an Bolton.
«Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie Sie auf eine solch abstruse Idee kommen, Mr. Jones zu verdächtigen, kann ich sagen, dass er für jene Nacht ein lupenreines Alibi hat.»
Bolton zog eine Braue hoch, und Lady Elisabeth räusperte sich hinter einem frisch gezückten spanischen Fächer, der offenbar ihre eigene Verlegenheit verbergen sollte.
«Er war bei mir. Die ganze Nacht.»
Bolton schien irritiert und wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, doch Edward sprang ein.
«Tante Elisabeth, ich möchte dir ungern widersprechen, aber von meinem Burschen weiß ich, dass es dir in jener Nacht …» Er machte, eine kleine Pause, als ob er sich sammeln müsste. «Dass du dich nicht besonders wohl gefühlt hast. Er sagte mir, dass er Candy Jones helfen musste, dich von Laudanum betäubt in dein Bett zu tragen. Danach hat er gesehen, wie dein Sklave das Haus verlassen hat und später mit einem deiner Küchenmädchen mehrmals lautstark in der Scheune kopulierte. Er hat sie halb angezogen dort zurückgelassen, um meinem Burschen den Weg zu den Sklavenunterkünften zu zeigen. Dort verliert sich seine Spur.»
Lady Elisabeth war anzumerken, dass sie Edwards Einwand wahrhaftig entsetzte. Nicht nur, weil er sie offenbar der Lüge bezichtigte, sondern auch, weil deutlich wurde, dass Candy, wie sie ihren Hausdiener liebevoll nannte, von Treue nichts zu halten schien und durchaus am Beischlaf mit anderen Frauen interessiert war.
Während sie sichtbar um eine Erklärung rang, die ihren Liebhaber entlastete, knallte es mehrmals ohrenbetäubend von der Veranda her, und selbst Edward fuhr unwillkürlich zusammen.
«Was war das?», fragte seine Tante, für einen Moment vollkommen erstarrt.
Als von den Männern keine Antwort kam, zitterte sie plötzlich so stark, dass ihr Doppelkinn wie ein zu weich gekochter Weihnachtspudding bebte. Commodore Bolton war aufgestanden und entschuldigte sich. Kaum hatte er die Türe geöffnet, stand auch schon Captain Hayes, der Kommandant des 84 th Rifle-Regimentes, in seiner graugrünen Uniform vor ihm, der den noch immer nicht gesundeten Captain Peacemaker ersetzte, und salutierte.
«Commodore, Sir», grüßte er zackig. «Wir haben den Verdächtigen bei einem Fluchtversuch gestellt. Er wollte sich heimlich davonmachen und wurde mit einem Warnschuss daran gehindert, sich zu entfernen.»
«Legen Sie ihn in Ketten», befahl Bolton kalt. «Wir nehmen ihn mit nach Spanish Town, wo er dem Richter zur Vernehmung vorgeführt wird.»
Lady Elisabeth, die wohl ahnte, dass es Candy Jones erwischt hatte, sprang auf und tat einen Schrei der Entrüstung.
«Das dürfen Sie nicht tun», rief sie vollkommen außer sich und stürmte an Captain Hayes vorbei nach draußen.
Jones selbst hatte Glück gehabt, weil der Schuss, der für ihn bestimmt gewesen war, nur seinen muskulösen Oberarm gestreift hatte. Das bisschen Blut schien ihn kaum zu stören. Jedenfalls gab er sich unbeeindruckt ob der Verletzung und des Theaters, das seine Mäzenin, kaum dass sie alle hinausgestürmt waren, im Garten des Herrenhauses veranstaltete. Mit versteinertem Gesicht blickte er in die Runde seiner Verfolger und sagte auch dann nichts, als die Lady ohne Rücksicht auf ihr roséfarbenes Kleid sich vor ihm in den Staub warf und seine Beine umklammerte,
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