Flamme von Jamaika
Blut.
Als sie geendet hatte, nahm Jess den Brief wortlos an sich und las ihn durch. Sie hatte tatsächlich alles geschrieben, was Cato verlangt hatte. Das von echten Tränen verschmierte Hühnerblut gab der ganzen Sache die passende Note. Wenn Edward Blake und der Gouverneur auf diese dramatische Botschaft nicht reagierten, machte es keinen Sinn, Lena weiter hier festzuhalten. Schon gar nicht, ihr etwas anzutun. In diesem Fall würde er höchstpersönlich dafür sorgen, dass sie lebend und unversehrt entkam. Und wenn es sein eigenes Leben und sogar das seiner Mutter kosten sollte.
Trevor war wie besprochen ohne Maggie nach Redfield Hall zurückgekehrt. Edward, der am frühen Morgen aus Spanish Town gekommen war, hatte keine weiteren Fragen gestellt und ihm lediglich zugenickt, als er den Auftrag für erledigt erklärte.
«Das arme Mädel wollte nicht mit mir zurück nach Redfield Hall», erklärte Trevor mit theatralischer Miene. «Stattdessen ist sie in Richtung Falmouth weitergeritten. Ist wohl völlig verrückt geworden. Keine Ahnung, wo sie jetzt ist.»
Nur Edward wusste, dass dies eine Ausrede war und Trevor sie in Wahrheit beseitigt und damit im wahrsten Sinne des Wortes mundtot gemacht hatte. Ganz nebenbei erzählte er seinem Aufseher, was in Spanish Town vorgefallen war. Zusammen mit Trevor dachte er sich daraufhin eine nette, kleine Nebengeschichte zum Verschwinden beider Frauen aus.
Gemeinsam würden sie behaupten, sein Bursche habe ihm versichert, dass der persönliche Leibdiener von Lady Elisabeth offenbar etwas mit der Sache zu tun habe. Er habe sehr wahrscheinlich höchstselbst dafür gesorgt, dass die beiden Frauen direkt von Rosenhall aus entführt worden seien. Da Lady Helena sich nun allem Anschein nach allein in den Händen der Entführer befand, müsse man leider davon ausgehen, dass ihrer Gesellschafterin etwas Böses zugestoßen sei, ansonsten hätte sie sich doch mit Sicherheit auf Redfield Hall zurückgemeldet.
Das Treffen mit Maggie auf der Drydenfarm würde er schlichtweg verschweigen, denn es war nicht anzunehmen, dass der Farmer und seine Frau von sich aus gegenüber den Behörden eine Aussage machten. Schließlich kannten sie die Zusammenhänge nicht.
Als Commodore Bolton am frühen Nachmittag unvermittelt mit Lieutenant Pearce, seinem blassblonden Assistenten, auf der Plantage aufkreuzte, um weitere Fragen zu stellen, war die Geschichte von den beiden verschwundenen Frauen bereits bis zu den Sklaven durchgedrungen. Zuvor hatte Edward den jungen Tom darauf eingeschworen, dass man Candy Jones als ersten Verdächtigen favorisiere. Entsprechend sollte er seine Aussage machen, falls der Commodore ihn dazu verhören würde.
Der Stalljunge, der Lena und Maggie noch in der Nacht die Pferde gesattelt hatte, durfte selbstverständlich nicht mehr erwähnt werden. Trevor hatte inzwischen unauffällig dafür gesorgt, dass der Zwölfjährige auf unerklärliche Weise verschwunden blieb.
Lord William, der über das Treffen mit Miss Blumenroth auf der Drydenfarm ebenfalls nicht informiert worden war, ahnte von all dem nichts. Er wirkte entsprechend aufgebracht, nachdem es seinen Parlamentskollegen in Spanish Town bisher nicht gelungen war, eine einheitliche Meinung zu der ganzen Sache zu finden.
«Ich will meine Schwiegertochter zurück», fuhr er den Ermittler bei einem Glas Brandy im Salon an. «Sie müssen diese Kerle finden, bevor sie dem Mädchen etwas antun können, dass seine Gebärfähigkeit gefährdet. Sie soll die zukünftige Mutter meiner Enkel werden!»
«Deshalb bin ich ja hier», erklärte Bolton leicht irritiert. «Die Frage, die sich uns immer noch stellt, ist: Wie konnten die Entführer Ihrer Schwiegertochter habhaft werden? Woher wussten sie, dass die junge Frau auf Rosenhall weilte, und wie kann die Entführung dort vonstattengegangen sein?»
«Candy Jones», warf Edward beiläufig ein, dem das Enkel-Gequatsche seines Vaters inzwischen gehörig auf die Nerven ging.
«Wie? Was?» Der Kopf seines Vaters ruckte hoch. «Was soll denn das braune Schoßhündchen deiner Tante mit Helenas Entführung zu tun haben?»
Auch Commodore Bolton zeigte sein unverhohlenes Interesse an dem neuen Namen.
«Um wen handelt es sich, wenn ich fragen darf?»
«Um einen Sklaven meiner Tante, der mir schon lange äußerst suspekt erscheint und den ich verdächtige, die Entführung meiner Frau erst möglich gemacht zu haben», erklärte Edward reichlich gnadenlos. «Schließlich war er der
Weitere Kostenlose Bücher