Flamme von Jamaika
verlassen zu haben – lediglich in Begleitung ihrer Zofe –, ist so absurd, dass es allein eine Strafe verdient. So ein Unsinn ist doch geradezu ein Indiz dafür, dass der Kerl keine saubere Weste hat.»
«Das haben wir uns auch gedacht», versuchte Bolton Edwards Aufgebrachtheit zu beschwichtigen.
Lord William warf dem Ermittler einen irritierten Blick zu.
«Ich dachte, Sie haben nur Ihre besten Leute im Einsatz? Jedenfalls hat mir das mein Freund, der Gouverneur, zugesichert. Wenn ich nun einen solchen Blödsinn höre, bleibt mir nichts anderes, als an der Kompetenz Ihrer Männer zu zweifeln.»
Bolton hüstelte verlegen, wobei sein Blick noch einmal über den Gefolterten wanderte.
«Könnten wir es gegenüber der Öffentlichkeit so darstellen, dass er gestanden hat?» Lord William warf dem königlichen Ermittler einen eindeutigen Blick zu, der besagte, dass man es sich von Beginn an hätte einfacher machen können. «Schließlich können wir ja nichts dafür, dass er ein solcher Sturkopf ist. Wie mein Sohn richtig anmerkte, liegen die Fakten ja so gut wie auf der Hand.»
«Ganz meine Meinung», fiel Edward seinem Vater im Brustton der Überzeugung ins Wort.
«Aber das sagt uns leider nicht», führte Bolton leicht ungeduldig aus, «wer seine Hintermänner sind und vor allem, wo wir sie finden können, um Lady Helena aus den Klauen ihrer Entführer zu retten. Und darum geht es uns bei einer solchen Art von Verhör schließlich.»
«Und wann gedenken Sie, dass Sie so weit sind und ich endlich wieder mein geliebtes Weib in die Arme schließen kann?»
Edward warf ihm einen vernichtenden Blick zu, der sein Urteil über die Unfähigkeit des Ermittlers und seiner Assistenten zum Ausdruck bringen sollte.
Auch Lord William ließ gegenüber dem Commodore und den beiden Rotröcken keinerlei Zweifel über seinen Unmut aufkommen. «Gibt es neben dem bereits geplanten Gefangenenaustausch Bestrebungen, nach meiner Schwiegertochter zu suchen? Ich meine, mit Unterstützung des Militärs?»
«Lassen Sie uns das draußen besprechen», riet Bolton, dem die feuchte Hitze und der Gestank des Blutes ebenso den Atem nahmen wie Edward.
Als sie nach draußen in den Gerichtshof gelangten, atmete er so heftig ein, dass Edward dachte, die Knöpfe seiner Uniformweste müssten abplatzen. Dann atmete er wieder aus und sank erschöpft in sich zusammen. Anscheinend erleichtert, fürs Erste dem unappetitlichen Anblick von Jones entkommen zu sein, führte er Edward und seinen Vater in einen weiteren Trakt des Gerichtsgebäudes, wo sich sein weiß getünchtes Büro befand. Bei der Ordonnanz, die sich pflichtschuldigst nach seinen Wünschen erkundigte, bestellte er drei Gläser doppelten Brandy. Während Edward und sein Vater auf den angebotenen Sesseln Platz nahmen, kippte Bolton den Brandy hinunter, als ob er am Verdursten wäre. Hustend setzte er das Glas ab und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
«Ich hoffe, Sie sind sich mit mir darüber einig, dass ein Geständnis von Jones einiges in der Beziehung zwischen Schwarzen und Weißen verändern wird. Vielleicht mehr, als uns lieb sein könnte. Wenn sich herumspricht, dass die Rebellen ihre Unterstützer sogar unter den Hausangestellten rekrutieren, könnte es bei den Plantagenbesitzern zu größerer Unruhe kommen. Die Lage auf der Insel ist jetzt schon angespannt genug, weil man offensichtlich der Meinung ist, dass wir gegen ungehorsame Sklaven zu lasch vorgehen. Sie wissen selbst, Lord William, dass nicht wenige Pflanzer und ihre Aufseher nach der Wiedereinführung der Selbstjustiz schreien und die Todesstrafe für Sklaven zurückfordern, die sich ihren Herren widersetzen. Diese erneuten Diskussionen wiederum könnten dazu führen, dass die Sklavengegner in London neuen Zulauf bekommen. Und das will schließlich niemand riskieren. Uns bleibt nichts weiter übrig, als die Angelegenheit so diskret wie möglich zu regeln. Im Auftrag des Gouverneurs habe ich bereits weitergehende Strategien entwickelt, wie wir der Sache auf den Grund gehen können.»
«Papperlapapp!»
Lord William schlug ziemlich ungalant mit der Faust auf den Tisch.
«Es führt allenfalls dazu, dass uns der König von England weitere Truppen schickt, um diesem Übel ein Ende zu bereiten.»
«Wir brauchen keine neuen Truppen», erwiderte Bolton pikiert. «Die Geschichte mit Ihrer Schwiegertochter hat ohnehin schon dafür gesorgt, dass der Gouverneur das gesamte Militär der Insel mobilisiert hat. Was wollen Sie
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