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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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blieb zurück mit der Sorge, ob es womöglich zu einem Kampf kommen würde zwischen den weißen Soldaten und Jess und seinen Kriegern, von denen sie noch keinen einzigen gesehen hatte.
    Was wäre, wenn das Militär dieses Lager aufspürte und es einem Soldaten gelänge, den Standort nach Spanish Town oder Kingston zu melden? Seitdem Jess ihr einen Einblick in die Krankenhöhle gegeben hatte, wusste sie, dass hier oben nicht nur geflohene Sklaven, sondern auch Frauen und Kinder hausten. Was würde mit ihnen geschehen, wenn die Weißen sie entdeckten? Lena wurde von der plötzlichen Einsicht ergriffen, dass, egal wie düster ihr Leben auch grade aussah, es niemals so grausam sein würde wie für diese Menschen hier. Unvermittelt erfasste sie eine tiefe Scham, weil sie sich selbst und ihr Schicksal so wichtig genommen hatte. Ganz im Gegensatz zu Jess, der offenbar einiges mehr an Weitblick besaß und allem Anschein nach ausschließlich für die Sache lebte, auch wenn er sich und seine Gefühle dafür verleugnen musste.

    Jess hatte noch immer das Gefühl, als hätte ihm jemand einen Faustschlag verpasst, als er sich auf den Weg zu Catos Hütte machte. Mit seinem Misstrauen hatte er Lena tief enttäuscht. Gleichzeitig war ihm noch einmal klargeworden, dass es eine unüberwindbare Mauer zwischen ihnen gab, die es egal machte, was sie füreinander empfanden. Auf halbem Weg begegnete er Nathan, der offenbar von den Wachen alarmiert worden war.
    «Hey, Soldat», rief er Jess spöttisch zu. «Wo warst du vergangene Nacht, wir haben uns Sorgen gemacht?»
    «Das geht dich überhaupt nichts an», zischte Jess ungehalten. «Abgesehen davon, war ich weit genug draußen, um Colonel Brown und ein paar Söldner zu entdecken, die als Pflanzer verkleidet die Gegend unsicher machen. Sie können jeden Moment vor unseren Toren auftauchen! Also beweg dich und hol deine Waffen!»
    «Weiß Cato schon Bescheid?»
    «Ich habe Tupac auf halbem Weg im Dschungel getroffen und ihm gesagt, er solle unseren Obersten warnen und alle Krieger in Gefechtsalarm versetzen. Ich bin auf dem Weg, um Cato persönlich Bericht zu erstatten. Und dir kann ich nur raten, schnellstens deine Position als stellvertretender Anführer der Krieger einzunehmen, ansonsten ist es um die Verteidigung unseres Lagers nicht gut bestellt.»
    «Zu Befehl», stieß Nathan atemlos hervor, bemüht, mit Jess’ riesigen Schritten mithalten zu können.
    Als Jess die Hütte des Rebellenoberhauptes erreichte, befand sich das Lager bereits in hellem, wenn auch lautlosem Aufruhr. Mit der Furcht, dass Cato seine Wut über das Auftauchen der Soldaten an Lena auslassen könnte, betrat Jess die Hütte. Doch zu seinem Erstaunen ging sein Anführer zunächst einmal gar nicht auf seine Geisel ein. Vielmehr schien ihn zu interessieren, warum es ausgerechnet Brown war, der den Mut aufgebracht hatte, seine Leute in diese als verflucht geltende Gegend zu führen.
    «Wir müssen sie alle töten», rief Cato ihm voller Wut zu, nachdem Jess genau berichtet hatte, was etwa drei Meilen vom Lager entfernt vorgefallen war. «Spürt sie auf und schneidet ihnen den Weg ins Tal ab!»
    «Bin schon unterwegs», versicherte Nathan eifrig, der soeben hinzugekommen war, um die Vollständigkeit der Verteidigungstruppen zu melden.
    Cato nickte Aleeke zu, der neben ihm wie eine gespannte Bogensehne darauf lauerte, weitere Befehle entgegenzunehmen.
    «Sag Desdemona Bescheid», bellte Cato ihm zu. «Wir benötigen dringend etwas von ihrem Zaubersaft.»
    Der Junge salutierte und machte sich sogleich auf den Weg, die gut funktionierende Verteidigungskette um eine ganz spezielle Strategie zu erweitern. Desdemona hielt für diesen Zweck eine hochgiftige Substanz bereit, die sie aus der einheimischen Manakawurzel und getrockneten Aconitumwurzeln gewann, die sie über geheime Quellen direkt aus Afrika bezog. Verflüssigt mit Weingeist, wurde die Substanz mit winzigen Pfeilen aus fingerdicken Blasrohren verschossen, um das Opfer sogleich in einen Zustand der Verwirrtheit und des Deliriums zu versetzen. Es gab kaum eine bessere Methode, um sich unerwünschte Besucher vom Hals zu halten. Die meisten unbedarften Wanderer drehten danach reumütig ab und suchten unter Krämpfen und Übelkeit den kürzesten Weg zurück ins Tal, um eine Krankenstation oder einen Arzt aufzusuchen.
    Jess und seine Kameraden waren allesamt dafür ausgebildet, ein solches Blasrohr in absoluten Notfällen einsetzen zu können. Um die Substanz

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