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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Lager antraten. Er legte eine Hand auf ihren Rücken und dirigierte sie zum Höhlenausgang. Einen Moment lang hielt er inne, bevor sie aus der Deckung nach draußen traten.
    «Das andere Problem ist unser Anführer», gab Jess zu bedenken. «Wenn wir ihm sagen, dass das Militär hier herumschnüffelt, wird er nervös werden und womöglich auf deine Hinrichtung drängen.»
    Jess verspürte eine würgende Angst bei der Vorstellung, dass Cato ihm aus reiner Wut und Frustration den Befehl geben könnte, Lena zu töten.
    «Das müssen wir riskieren», erwiderte sie erstaunlich gefasst. «Wie sonst willst du ihn warnen?»
    «Du hast recht», sagte er und wich ihrem prüfenden Blick aus.
    Sie sollte nicht sehen, wie sehr ihn das alles bedrückte.
    «Komm», sagte er und streckte ihr seine Hand hin.
    Doch sie schlug sein Friedensangebot aus und stapfte mit gesenkten Lidern hinter ihm her.

Kapitel 21
    September 1831 // Jamaika // Bittere Erkenntnis

    L ena folgte Jess wie in Trance, während sie über verschlungene Pfade zum Lager zurückkehrten. Inzwischen war es ihr beinahe gleichgültig, was er von ihr hielt. Er liebte sie nicht, und er misstraute ihr, weil sie eine Weiße war. Das war eine wesentliche Erkenntnis, die ihr beinahe das Herz zerriss. Da half es auch nichts, dass es ihm offenbar leidtat, sie des Verrats verdächtigt zu haben.
    Vielleicht ist es ein gottgegebenes Schicksal, dass wir in verschiedenen Welten geboren wurden. Und leider ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um daran etwas zu ändern,
hallte es in ihr nach. Der Zeitpunkt würde niemals richtig sein, so viel wusste sie nun.
    Sie hatten ungehindert die äußeren Ausläufer des Lagers erreicht. Auch wenn es beinahe unerträglich gewesen war, dass sie die ganze Zeit kaum ein Wort miteinander gesprochen hatten. Nicht nur, weil sie wegen Colonel Brown und seiner Meute besonders leise sein mussten, sondern auch, weil es nichts zwischen ihnen zu reden gab.
    «Ich muss dir die Augenbinde anlegen», sagte er leise, bevor sie endgültig das Lager betraten.
    Eigentlich hätte er sie schon vorher darum bitten müssen, doch es war ihm offenbar unangenehm gewesen, sie wieder in seine Gefangene zu verwandeln. Lena blieb stehen und schloss die Augen, damit er seiner Pflicht nachkommen konnte. Als seine Finger ihr Gesicht berührten, schrie alles in ihr danach, sich zu ihm umzudrehen und ihn zu küssen. Wortlos ließ sie ihn walten. Sie hörte, dass sein Atem schneller ging und seine Hände nervös einen Knoten schnürten.
    «Ich muss das tun», sagte er rau, und sie spürte, dass er gerne viel mehr gesagt hätte.
    «Ist schon in Ordnung», erwiderte sie mit brüchiger Stimme, weil das, was zwischen ihnen stand, ihr beinahe den Atem nahm.
    Als er ihre Hand nahm, zart und doch kraftvoll, spürte sie, wie Tränen in ihr aufstiegen. Sie schluckte verkrampft, um ein Aufschluchzen zu unterdrücken. Angesichts der lauernden Gefahr, die das gesamte Lager und all seine Bewohner bedrohte, erschien es ihr nicht angebracht, aus Liebeskummer zu weinen.
    Bevor er sie zu ihrem Gefängnis zurückführte, bat er sie an einem Baumstamm hockend zu warten. Er stieß ein Pfeifen aus, das sich wie ein Vogelzwitschern anhörte, und kurz darauf hörte sie Stimmen, die sich hektisch in Patois unterhielten.
    «Das war einer meiner Offiziere», erklärte er ihr leise, als sie weitergingen. «Ich habe ihn und meine restlichen Krieger vor den weißen Häschern gewarnt.»
    «Was wollt ihr tun?», fragte sie mit erstickter Stimme.
    «Dafür sorgen, dass sie uns nicht entdecken», erwiderte er, wobei sie sich denken konnte, dass er und seine Männer nicht davor zurückschrecken würden, die weißen Soldaten zu töten, wenn es sein musste.
    Über verschlungene Wege führte er sie zurück zu ihrem Gefängnis.
    «Du kannst die Augenbinde jetzt abnehmen», erklärte er dumpf, nachdem er sie wie üblich eingesperrt hatte.
    «Danke», erwiderte sie leise und tastete sich zu ihrer Strohmatte vor, auf der sie sich wortlos niederließ. Sie nahm den Schal ab und erklärte tonlos: «Ich bin müde.» Ohne ihn anzusehen, fügte sie noch hinzu: «Du solltest zu deinen Leuten gehen, sie werden sicher deine Unterstützung benötigen.»
    «Wenn du etwas brauchst …» Er stockte. «Ich komme nachher vorbei und bringe dir etwas zu essen.»
    Sie nickte nur. Hunger hatte sie keinen. Ihr Magen war wie zugeschnürt. Einen leisen Fluch auf den Lippen, dessen Bedeutung sie nicht verstand, stapfte er hinaus ins Freie. Lena

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