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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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tatsächlich abgezogen waren. Erst danach bot er Jess einen Platz in seiner kleinen Wohnstube an und stellte einen echten, irischen Whisky auf den Tisch. Die Flasche war ziemlich alt und noch gut drei Viertel voll, ein Zeichen dafür, dass Isaak sich nicht oft daran bediente.
    «Keine Ahnung», log Jess und schaute dabei zu, wie sein Retter mit zitternden Händen zwei große Wassergläser mit dem goldschimmernden Gebräu bis zur Hälfte füllte.
    Er schob ihm eines der Gläser zu und setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl. Bevor er weitere Fragen stellte, nahm Isaak einen mächtigen Schluck und hustete anschließend wie erwartet, wobei er das Gesicht zu einer angewiderten Miene verzog.
    «Mein Vater war ein Säufer», bemerkte er lapidar, als er wieder zu Atem gekommen war. «Sicher ein Grund, warum Gott mich mit der Abscheu vor Alkohol gesegnet hat.»
    «Aber ab und zu tut ein kleiner Schluck ganz gut», bestätigte Jess, der ebenfalls kein großer Trinker war.
    Nach einer solchen Verfolgungsjagd, die ihn nicht nur sein Muli, sondern beinahe das Leben gekostet hatte, konnte er durchaus einen beruhigenden Tropfen vertragen. Isaak beäugte ihn prüfend, nachdem er sein Glas abgesetzt hatte.
    «Vor ein paar Wochen ist hier in der Gegend eine junge Pflanzergattin verschwunden», begann er vorsichtig. «Seither benimmt sich das Militär, als ob man in ein Wespennest gestochen hätte. Hab gehört, dass man überall nach ihr sucht. Unter der Hand wird erzählt, sie wäre von Rebellen entführt worden.»
    Offenbar hatte Isaak nicht mitbekommen, dass die Soldaten Lena ganz in der Nähe gefunden hatten. Der Priester stockte einen Moment, als ob er darauf wartete, dass Jess einen Kommentar dazu abgab, doch dieser blieb einfach nur stumm und schaute seinem Gegenüber, ohne mit der Wimper zu zucken, in die Augen.
    «Du hast doch nichts damit zu tun, oder?»
    Isaak fixierte ihn mit einem unsicheren Lächeln.
    «Warum sollte ich?», gab Jess lässig zurück. «Ich bin wie du ein Anhänger von Knibb und Sharpe und unterstütze die beiden in ihrem Bemühen, die Rechte der Sklaven möglichst ohne Blutvergießen einzufordern. Nichtsdestotrotz neigen meine Brüder und ich dazu, den Bakras nicht allzu sehr zu vertrauen. Immerhin sind wir Teil einer Organisation, die geflohenen Sklaven hilft, sich zu verstecken. Was jedoch nicht bedeutet, dass wir zu unlauteren Mitteln greifen», log er dreist. «Aber darüber hinaus gibt es natürlich immer ein paar Abtrünnige, die sich nicht an die Regeln halten und schlimme Dinge tun. Sie schaden allen, weil sie den guten Ruf der Sklavengegner aufs Spiel setzen.»
    Jess verdrehte die Tatsachen so gekonnt, dass er sich beinahe vor sich selbst schämte. Offenbar wusste Isaak weder, was tatsächlich hinter der Entführung steckte, noch, wer sie begangen hatte. Cato hatte sich darüber amüsiert, dass die Regierung sich mit Erklärungen zu Lenas Verschwinden zurückgehalten hatte. In der Gazette war nichts zu lesen, wahrscheinlich weil man die Unfähigkeit der eigenen Soldaten nicht an den Pranger hängen wollte.
    Natürlich würde die ganze Sache um Lena und die freigelassenen Gefangenen irgendwann von alleine ans Licht kommen, wenn die Bevölkerung nach der bereits angekündigten Hinrichtung der drei Aufständischen verlangte. Bis es jedoch zur unvermeidlichen Offenbarung kam, würden die Regierung und der Gouverneur Stillschweigen darüber bewahren, wie wenig sie Jess und seinen Rebellenbrüdern hatte entgegensetzen können.
    «Kann ich bei dir übernachten?», fragte Jess den verunsicherten Baptisten mit einem gewinnenden Lächeln. «Ich hab mein Muli verloren und kann schlecht zur Garnison laufen und um Ersatz bitten. Schließlich bin ich Mulatte, wie du unschwer erkennen kannst.»
    Als ob noch ein Beweis vonnöten gewesen wäre, hob er seine bronzefarbenen Hände und drehte sie hin und her.
    «Auch wenn mein Vater und mein Großvater Weiße waren und ich einen Freibrief in meiner Tasche trage, heißt das noch lange nicht, dass ich die gleichen Rechte genieße. Als Mischling laufe ich in dieser Gegend im Moment ständig Gefahr, verhaftet zu werden, auch wenn ich gar nichts getan habe. Morgen früh wird die Welt hoffentlich schon wieder friedlicher aussehen.»
    Jess legte seine Finger demonstrativ auf die Bibel. Sie war das Einzige, was ihm außer Lenas Schmuck geblieben war, den er in letzter Sekunde in die Innentasche seiner Jacke gestopft hatte. Isaak, dem die unscheinbare Geste ganz

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