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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Das Warten machte ihn mürbe, und die andauernde Anspannung, dass ihn jemand entdecken könnte, schlug ihm auf den Magen.
    Am Abend des zweiten Tages fasste er einen Entschluss. Entweder war Lena etwas zugestoßen, oder sie hatte es sich anders überlegt. Beides konnte er nicht auf sich beruhen lassen. Bevor er unverrichteter Dinge in die Berge zurückkehrte, musste er Gewissheit erlangen, was mit ihr geschehen war. Selbst wenn er dafür sein Leben aufs Spiel setzte.

    Zwei Tage und Nächte waren vergangen, seit sie, wie auch immer, nach Redfield Hall zurückgekehrt war. Von Stunde zu Stunde verlor Lena mehr Hoffnung, je wieder sie selbst sein zu können. Fieberhaft überlegte sie, was wohl zu ihrem erschreckenden Zustand geführt haben konnte. Vielleicht hatte sie im Dschungel eine seltene Krankheit befallen, deren Auswirkungen sie nun erst zu spüren bekam? Oder es waren doch die Nerven, wie Dr. Lafayette vermutete, die den Fluss ihrer Säfte ordentlich durcheinandergewirbelt hatten? Wenigstens der Doktor machte ihr Hoffnung, dass es mit Ruhe und gutem Essen zu einer raschen Besserung kommen könne. Doch in Gegenwart von Edward konnte von Ruhe keine Rede sein. Sein erbarmungsloses Vorgehen schockierte sie mehr, als die Zustände im Rebellenlager es je vermocht hätten.
    Am schlimmsten war jedoch, dass sie noch nichts über das Schicksal von Maggie erfahren hatte und auch niemanden fragen konnte. Daneben zehrte an ihr, dass Jess nun vergeblich auf sie warten würde. Bestimmt war er tief enttäuscht, wenn sie ihre Abmachung nicht einhielt. Mit seiner Bereitschaft, in der Fischerhütte auf sie zu warten, ging er ein hohes Risiko ein. Ach, wenn sie ihm doch nur eine Gedankenbotschaft schicken könnte. Doch vielleicht war es besser so. Wenn er wüsste, in welchen Zustand sie sich befand, würde er womöglich so leichtsinnig sein, sie aus den Klauen ihres düsteren Schicksals erretten zu wollen.
    Edward malträtierte sie derweil auf die übelste Weise und hatte inzwischen sogar veranlasst, dass sie zu ihm ins sogenannte Eheschlafzimmer verlegt wurde. Stumm ertrug sie seine Vergewaltigungen. Doch sie würde es ihm heimzahlen, eines Tages, wenn sie wieder zu Kräften gekommen war.
    Der einzige Lichtblick, der sie davor bewahrte, vollkommen durchzudrehen, war, dass sie unter größter Anstrengung es inzwischen geschafft hatte, auf eigenen Füßen zu stehen und mit Hilfe von Estrelle ein wenig umherzugehen. Auch die Bettpfanne benötigte sie nun nicht mehr. Estrelle dirigierte sie mehrmals täglich auf einen Leibstuhl, der im Schlafzimmer hinter einem Paravent verborgen stand. Wie eine Marionette musste sie sich führen lassen, weil sie über keinerlei eigenen Willen verfügte. Sie ging hin, wo man sie hinführte, aß, was man ihr in den Mund steckte, und ließ sich ohne Protest Edwards Anzüglichkeiten gefallen, obwohl sie ihm innerlich am liebsten die Augen ausgekratzt hätte. Es war beinah, als ob sie jemand in eine lebendige Puppe verhext hätte.
    Am Sonntag nach ihrer Rückkehr wurde sie von Estrelle und Larcy wie ein Baby gebadet und in ein gelbes Musselinkleid gesteckt. Danach frisierten ihr die Frauen wortlos die Haare, puderten ihr Gesicht und schminkten ihr Augen und Lippen, sodass sie trotz ihres Elends aussah wie das blühende Leben. Lena versuchte mehrmals, sich mit Zwinkern bemerkbar zu machen, denn sie hätte Jess zu gerne einen Brief geschrieben, der ihre Situation genauestens schilderte.
    Doch es war zwecklos. Die Sklavinnen bemerkten ihre Kommunikationsversuche nicht und konnten ohnehin weder schreiben noch lesen. Als Edward plötzlich in einem seiner besten Anzüge in der Türe erschien und ihr galant den Arm bot, hätte sie gewarnt sein müssen. Bei dem Versuch zu protestieren, zog sie mehr unfreiwillig die Mundwinkel hoch. Zu mehr als einem dämlichen Grienen war ihre Mimik augenscheinlich nicht fähig.
    «Sieh her, Estrelle», triumphierte er. «Sie kann schon wieder lächeln. Wenn du weiterhin so gut mit ihr arbeitest, ist sie schon bald genesen.»
    Edward schien ihren unfreiwillig zur Schau gestellten Optimismus tatsächlich als ein gutes Zeichen zu werten. Mit jovialer Miene nahm er sie in die Arme und trug sie hinunter in die Haupthalle, wo er sie galant auf die Füße stellte. Fest gestützt führte er sie hinaus in die feuchtwarme Luft, die vom Fluss her über den Park wehte. Kurz zuvor hatte es geregnet, und die Natur roch intensiv nach Erde und Blüten. Die Glocken der Kapelle übertrugen das

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