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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Jamaika
», erklärte ein anderer. «Ich dachte, das wäre nur ein Gerücht?»
    Jess beugte sich näher zu ihnen.
    «Wir haben im Westen des Landes etwa zwanzigtausend Männer mobilisiert, die bereit sind, jederzeit zu den Waffen zu greifen, die wir im Laufe der letzten Monate in Verstecken gehortet haben. Damit werden wir bis zum Äußersten gehen. Denen könnt ihr euch gerne anschließen. Meldet euch morgen früh in St. Ann’s Bay beim Pferdeverleiher. Er wird euch mit den notwendigen Instruktionen versorgen», raunte ihnen Jess im Halbdunkel eines brennenden Feuerkorbes zu. «Sollte Sharpes Plan zu einer friedlichen Revolte nicht funktionieren, werden wir das Land im Sturm erobern.»
    Nachdem sich seine Zuhörer mit dem Schwur auf den Lippen, die Flamme zu unterstützen, zerstreut hatten, verabschiedete sich Jess von Knightly und dankte ihm für sein Vertrauen und die Unterkunft, die er ihm zur Verfügung gestellt hatte. Am nächsten Morgen wollte er bereits in der Dämmerung losziehen, um Vertreter der Maroon zu treffen, die ihnen ebenfalls Unterstützung zugesagt hatten. Bis dahin wollte er noch ein paar Stunden schlafen, obwohl ihm das angesichts der bevorstehenden Revolution immer schwerer fiel. Mit müden Schritten wandte er sich der Außentreppe zu, die zu einem Dachgeschoss führte, wo ihm Knightlys Haushälterin ein Strohlager hergerichtet hatte.
    «Mister?», erklang eine jugendliche Stimme aus dem Dunkel, bevor Jess die Treppe erreichte.
    Es war schon weit nach Mitternacht, und kein Mensch hielt sich um diese Zeit noch auf den Straßen auf. Lediglich im Hurenhaus von Ochos Rios herrschte anscheinend noch Betrieb, wie man an einem hellen Frauenlachen und ein paar lauthals krakeelenden Gästen festmachen konnte, deren albernes Gezeter von einer frischen Brise herübergetragen wurde.
    Jess, dessen Augen sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte nur die Umrisse einer schlanken, nicht besonders großen Gestalt. Es war allem Anschein nach ein junger Bursche, und er war unzweifelhaft von schwarzer Hautfarbe.
    «Ich habe gehört, dass Sie hier eine Messe gehalten haben und extra von außerhalb gekommen sind, um über die Rechte der Sklaven zu sprechen.»
    Die Stimme des jungen Mannes klang schüchtern. Jess sah sich noch einmal aufmerksam um. Er wollte sichergehen, dass es sich um keine Falle handelte. Dann fasste er den Jungen bei der Schulter und zog ihn zur Treppe hin, um ihn in sein Quartier zu führen.
    «Wenn du mir was zu erzählen hast», sagte er leise, «dann von Angesicht zu Angesicht und nicht hier draußen auf der Straße, wo jeder mithören kann. Also, willst du mit mir kommen?»
    «Jawohl, Sir», bestätigte der Junge Jess’ Anweisung respektvoll.
    Jess musste lächeln, weil ein solches Verhalten sonst nur gegenüber Weißen üblich war. Gut möglich, dass der Kleine irgendwo abgehauen war. Wer würde sonst mitten in der Nacht einen vermeintlichen Priester ansprechen? Nachdem er die Tür zu seinem Zimmer geöffnet hatte, entzündete er eine Kerze, die Knightly ihm zusammen mit etwas Proviant und einer Flasche Wein zur Verfügung gestellt hatte.
    «Setz dich», sagte er zu dem Jungen, der kaum älter als siebzehn sein mochte. «Wie ist dein Name?»
    «Tom», erwiderte der Junge immer noch völlig eingeschüchtert.
    «Ich heiße Moses», stellte sich Jess seinem verkrampft dasitzenden Gast unter seinem Tarnnamen vor.
    «Möchtest du etwas trinken? Pastor Knightly war so freundlich, mich anlässlich des ersten Weihnachtstages mit einer Flasche Wein und ein paar Pasteten zu versorgen, die seine Haushälterin gebacken hat. Magst du eine?»
    Der Junge nickte zaghaft, und Jess reichte ihm eine der Pasteten, die so groß war wie eine Männerfaust. Sie waren mit gekochtem Rindfleisch gefüllt und schmeckten wahrhaft himmlisch. Der Junge aß gierig, während Jess den Wein in zwei Becher einschenkte und ihm einen davon überreichte. Er prostete dem Jungen lächelnd zu.
    «Also, was hast du auf dem Herzen?»
    «Ich will meinem Herrn davonlaufen. Und ich möchte mein Mädchen mitnehmen.»
    Oje, dachte Jess. Eine Geschichte, so alt wie die Welt und doch so aktuell, dass es weh tat.
    «Nun mal der Reihe nach», riet ihm Jess. «Wer ist dein Herr, und warum hältst du es nicht mehr bei ihm aus?»
    «Mein Herr ist Sir Edward Blake. Ich gehöre zu Redfield Hall.»
    Jess verschluckte sich und hatte Mühe, nicht allzu lange zu husten.
    «Kennen Sie ihn?»
    «Nein», versuchte Jess seinen Fehler

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