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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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seine eigenen Pläne vorantrieb. «Dein Problem wird sich in den nächsten Tagen von ganz alleine lösen», versprach er dem Jungen.
    «Wie?» Tom sah ihn vollkommen entgeistert an.
    «Vertrau mir», sagte er nur. «Und nun werde ich dich auf meinem Muli nach Hause bringen.»
    Jess wusste plötzlich, dass er Lena sofort von dort wegholen musste. Ganz gleich, was es ihn kosten würde.

Kapitel 28
    Ende Dezember 1831 // Jamaika // Verhängnisvolle Bekenntnisse

    Ü ber dem White River schimmerte ein blassgelber Halbmond, als Jess nach einer guten Stunde Ritt endlich die Silhouette des Herrenhauses von Redfield Hall erblickte.
    «Du kannst mich getrost runterlassen, Moses», sagte Tom. «Von hier aus kann ich zu Fuß gehen. Bis zu meiner Hütte ist es nicht weit.»
    «Moment mal», erwiderte Jess leise und fasste seinen jungen Begleiter am Arm. «Wäre es möglich, dass du mich mitnimmst und mir zeigst, wo sich das Schlafzimmer von Lady Blake befindet?»
    «Was?», fragte der Junge entgeistert. «Bist du verrückt geworden? Ich darf nicht ins Haus. Ich gehöre nicht zum Dienstpersonal. Nur wenn der Master mich ruft, darf ich rein.»
    «Jetzt beruhige dich doch erst einmal», empfahl ihm Jess mit gedämpfter Stimme. «Ich will gar nicht in die Villa. Ich will nur wissen, hinter welchem Fenster deine Herrin schläft.»
    Tom stieg hastig ab, als ob er es eilig hätte, von Jess wegzukommen. Doch der hielt ihn nach wie vor an seiner Joppe gefasst.
    «Es ist das zweite Fenster von oben rechts, von uns aus gesehen. Aber sag mir lieber, was du vorhast. Du willst doch wohl nicht dort hineingehen und ihr irgendetwas antun?»
    «Keine Sorge, Tom. Ich bin gleich wieder verschwunden. Und höre auf das, was ich dir gesagt habe: Verhalte dich ruhig in den nächsten Tagen und vertraue auf Gott.»
    Jess wartete noch eine Weile, bis die Schritte des Jungen im Dunkeln verhallt waren. Dann band er sein Maultier in der Uferböschung des Flusses an einem Strauch fest und schlich durch den weitläufigen Park bis zu jener Stelle des Hauses, über der sich das besagte Fenster befand. Hundebellen hallte durch die Nacht. Die Tiere witterten einen Eindringling, und Jess sah sich gründlich um, ob ihn niemand beobachtete. Außerdem wollte er wissen, wo er sich notfalls verstecken konnte, falls ihn jemand entdeckte. Dass Edward Blake sich nicht im Herrenhaus aufhielt, war eine wertvolle Information. Hieß es doch, dass Lady Blake allem Anschein nach die Nacht ohne ihren Gatten verbrachte.
    Nüchtern abschätzend begutachtete er die kräftige Bougainvillea-Ranke, die sich stark verzweigt bis zum obersten Stockwerk an einem Holzgerüst emporschlängelte. Sie war zwar dornig, aber zusammen mit dem Gerüst würde es halten. Kurz entschlossen hangelte er sich daran empor und ignorierte tapfer die Schmerzen, wenn die scharfen Dornen ihm hier und da in die Finger stachen. Nur kurze Zeit später erreichte er das halb geöffnete Schlafzimmerfenster in schwindelnder Höhe. Vorsichtig spähte Jess um die steinerne Begrenzung herum und schob die wehenden Gardinen beiseite.
    Mitten im Zimmer stand ein massives Ehebett mit einem burgunderfarbenen Baldachin, dessen seitliche Schals nicht zugezogen waren. Darin lag eine Gestalt, die unverkennbar ein weißes Betthäubchen trug. Sie rührte sich nicht, weil sie offenbar schlief. Vorsichtig stellte Jess einen Fuß auf die Fensterbank, um sein Gleichgewicht zu finden. Dann schob er mit beiden Händen die untere Hälfte des Fensters so weit nach oben, dass er zunächst mit einem Bein hindurchschlüpfen konnte und dann mit dem restlichen Körper.
    Sein erster Blick, als er sich aufrichtete, fiel auf die hellblonden Haare, die aus dem Häubchen hervorschauten. Dann sah er ihr feines porzellanfarbenes Gesicht. Den rosigen, leicht gewölbten Mund. Die langen Wimpern. Kein Zweifel. Es war Lena! Jess spürte, wie sich sein Herz zusammenzog, als er sie näher betrachtete. Ihr schmaler Leib hob kaum die seidene Bettdecke. Sie wirkte weitaus zerbrechlicher als noch Monate zuvor.
    «Lena», flüsterte er.
    Sie reagierte nicht. Am liebsten hätte er sie gleich an sich gerissen und wäre mit ihr davongelaufen. Hunderte Meilen weit weg, in ein Land, wo es nichts gab, das sie je wieder trennen konnte. Er zögerte einen Moment, doch dann setzte er sich auf die Matratze und streichelte ihr über den Kopf, wobei er ungewollte das Häubchen abstreifte. Plötzlich schlug sie die Augen auf. Er sah, wie sie bei seinem Anblick regelrecht

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