Flamme von Jamaika
mir leid, Master Edward, es soll nicht wieder vorkommen, ich verspreche es.»
«Kleide meine Frau an und geleite sie anschließend in den Salon. Wir haben hohen Besuch, den ich ihr vorstellen möchte.»
Estrelle nickte gehorsam. Als Edward wieder verschwunden war, schüttelte sie den Kopf, als ob sie eine Horde Fliegen loswerden müsse. Während sie Lena von ihrem Nachthemd befreite, ruhte ihr Blick auf ihren Brüsten.
«Hast du dem kleinen Jesús damit den Kopf verdreht?», fragte sie ziemlich direkt. «Er ist doch derjenige, der für deine Entführung verantwortlich war. Hab ich recht?»
Lena nickte kaum merklich.
«Ich habe es mir beinah gedacht. Seit William Blake ihn nach Kuba verkauft hat, kursiert sein Name unter den Schwarzen wie eine Legende. Es heißt, eines Tages würde er zurückkommen und sich an Lord William für alles rächen, was er ihm und seiner Mutter angetan hat. Dass es tatsächlich geschehen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Aber die Geister der Ahnen spielen ihr eigenes Spiel. Niemand weiß, wen sie begünstigen, wem sie den Weg ebnen und wessen Schicksal sie erfüllen.»
Sie stockte einen Moment und lächelte verträumt. Dann fiel ihr Blick auf Lena, die dazu gern eine ganze Menge gesagt und am liebsten noch mehr gefragt hätte. Vor allem was wirklich mit Maggie geschehen war. Denn sie war inzwischen absolut sicher, dass Jess für deren angeblichen Tod nicht verantwortlich war. Estrelle schlug die Decke zurück und half Lena aufzustehen.
«Aus ihm ist aber auch wirklich ein verdammt gut aussehender Kerl geworden.»
Estrelle führte sie hinter den Paravent und setzte sie splitternackt auf den Leibstuhl. Mit einem sauberen Lappen nahm sie anschließend die intimen Waschungen vor. Als sie fertig war, half sie Lena in die Unterröcke. Während sie das Mieder schnürte, trafen sich ihre Blicke im Spiegel.
«Sie sind wunderschön, Mylady», murmelte sie. «Ich kann verstehen, dass sich Jess in Sie verliebt hat. Aber wenn er zurückkehrt, um Ihr Leben zu retten, könnte es ihn den Kopf kosten. Nicht nur wegen Edward. Sondern vor allem wegen Lord William. Wenn der wüsste, dass Jess sich auf seinem Land herumtreibt, würde er alles daransetzen, ihn zu töten. Da bin ich mir sicher. Und das nicht nur, weil er inzwischen zu einem gefährlichen ein Rebell geworden ist. Vor allem weil er nicht wollen würde, dass die alte Geschichte um seine Vaterschaft und Babas vermeintlichen Tod wieder an die Oberfläche gezerrt wird und den Ruf seines Hauses beschmutzt.»
Lena wusste zwar nicht, was es da noch viel zu beschmutzen gab, aber sie war ebenfalls überzeugt, dass Lord William in Jess einen Todfeind sehen würde, der ihm und seinem Sohn womöglich nach dem Leben trachtete. Und einen Todfeind galt es zu vernichten, bevor dieser irgendwelches Unheil anrichten konnte. Doch was sollte sie tun, um Jess davon abzuhalten, sie aus diesem Höllenloch zu befreien? Und wenn sie ehrlich war, wollte sie schnellstens von Edwards Ländereien verschwinden und nur bei Jess sein.
Estrelle streifte ihr das Kleid über, das Edward extra heute Morgen für sie ausgesucht hatte. Ein Traum aus dunkelgrüner Seide. Lena konnte die Farbe nicht ausstehen, und das wusste er. Aber wenn sie Glück hatte, war der Spuk bald vorbei.
Vorsichtig stieg Lena am Arm ihrer Dienerin die Treppe hinunter zur großen Halle. Edward hatte offensichtlich schon zum Frühstück hohen Besuch eingeladen. Wahrscheinlich der Gouverneur und seine oberflächliche Gattin. Aber selbst wenn es der Teufel persönlich gewesen wäre, hätte Lena keine Augen für diese Personen gehabt. Sie dachte nur noch an Jess. Auch Edward schien ihr inneres Glück zu bemerken, denn er schaute verwundert, als Estrelle sie in den Salon hinein führte.
«Da ist ja mein ganz persönlicher Engel!», frohlockte er mit einem gekünstelten Lachen.
Dann stellte er sie einer ganzen Reihe von uniformierten, zum Teil hochdekorierten Soldaten vor. Auch Langley, der Militärpfarrer, war unter ihnen. Er wusste bereits um Lenas Schicksal. Die anderen hatten offenbar keine Ahnung. Die Männer, einige von ihnen noch recht jung, andere im mittleren Alter, erhoben sich gleichzeitig, um sie mit einer Verbeugung zu begrüßen.
Einer von ihnen stellte sich als Assistant Commissaries General John Bland vor und wollte ihr stellvertretend für die übrigen Herren den obligatorischen Handkuss andeuten. Lena reagierte jedoch nicht, und der Offizier schaute betreten zu Boden,
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