Flamme von Jamaika
weil sie ihm allem Anschein nach ihre Gunst schlichtweg verweigerte. Einen peinlichen Moment lang sagte niemand etwas, bis Edward die Ungeschicklichkeit bemerkte.
«Sie müssen entschuldigen, General Bland. Das ist einer der Gründe, warum ich Sie hergebeten habe. Ich möchte Ihnen zeigen, welches Leid mir und meiner Familie ganz persönlich durch diese Rebellen widerfahren ist. Meine Frau ist seit ihrer Entführung schwer erkrankt. Irgendetwas ist ihr während der Zeit ihrer Entführung zugestoßen, das ihre Sinne lähmt. Seither ist sie nicht mehr in der Lage, eigenständige Bewegungen auszuführen. Sie ist weder ihrer Sprache noch des Schreibens mächtig», entschuldigte er ihr seltsames Benehmen.
Gegen ihren Willen führte er sie an einen freien Platz am Tisch und ließ von Estrelle ein weiteres Gedeck auflegen. Dann setzte er sich neben sie und band ihr ein seidenes Lätzchen um. Wie ein Kleinkind wollte er sie vor den Augen der Besucher füttern. Das hatte er bislang immer den Haussklaven überlassen. Aber wahrscheinlich wollte Edward den hochrangigen Militärs demonstrieren, wie schwer es ihn und seine Frau durch die Gewalt der Rebellen erwischt hatte, um deren Kampfeswillen zu schüren.
«Das tut mir sehr leid, Madam», erklärte der General Assistant sichtlich berührt, bevor er wieder Platz nahm.
Auch die übrigen Soldaten setzten sich wieder hin. Es waren sieben, und die meisten von ihnen starrten betreten auf ihre dampfenden Teetassen und wagten aufgrund der seltsamen Atmosphäre nicht, ihr Frühstück anzurühren.
«Nun greifen Sie doch zu, meine Herren», forderte Edward die Männer auf.
Dann begann er, Lena mit Stücken von gebuttertem Toast zu füttern. Auch wenn sie vor lauter Aufregung nicht den geringsten Hunger verspürte, blieb ihr nichts anderes übrig, als zu kauen und zu schlucken, wenn sie nicht ersticken wollte.
«General Bland und seine Kameraden sind Gesandte von Sir Lieutenant General Willoughby Cotton», erklärte Edward beiläufig, wobei sich Lena fragte, warum Lord William bei dieser Zusammenkunft fehlte. «Der Lieutenant General ist vor wenigen Tagen mit einer Flotte aus London eingetroffen. Sie sollen die hiesigen Truppen verstärken. Ich habe Mister Bland gebeten, ein paar seiner Regimenter in die Blue Mountains zu entsenden, weil ich dort jene Rebellen vermute, die an deiner Entführung die Hauptschuld tragen.»
Lena blieb der Toast im Halse stecken, doch sie vermied es zwanghaft, zu husten oder zu würgen. Stattdessen schluckte sie tapfer und schluckte noch einmal, auch wenn es höllische Schmerzen bereitete.
Bland hatte sich unterdessen erhoben und salutierte ihr gegenüber. «Seien Sie gewiss, Mylady, wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um jene zu fangen und zu richten, die Ihnen das angetan haben. Wir werden jeden Einzelnen von ihnen hängen, und wenn es Sie zufriedenstellt, sogar vor Ihren Augen.»
Unwillkürlich verzog Lena ihre Mundwinkel zu einer vollkommen schiefen Grimasse. Was der Offizier und seine Männer anscheinend als Ermutigung auffassten.
«Schön, dass wir uns einig sind!», verkündete Edward gut gelaunt und rief Jeremia herbei, der die ganze Zeit folgsam am Buffet auf seine Anweisungen wartete. «Darauf trinken wir einen Brandy», entschied Edward. «Bring uns den besten Brandy, den wir haben, Jeremia.»
Gegen Abend hockte Baba am knisternden Lagerfeuer und beobachtete, wie Selina ihren Töchtern Zöpfe flocht. Die Mädchen waren genauso, wie sie sich ihre Enkeltöchter gerne vorgestellt hätte. Vielleicht lag es daran, dass sie sich immer eine Tochter gewünscht hatte. Nachdem sie Jess das Leben geschenkt hatte, war ihr Leib nicht wieder gesegnet gewesen, obwohl sie bei den Maroon, wo sie sich zunächst versteckt hatte, noch andere Männer gehabt hatte.
Die Welt befindet sich permanent im Gleichgewicht, hatte Desdemona sie gelehrt. Jeder kommt mit einem gewissen Maß an Besitz auf die Welt. Verlangt er mehr, muss er etwas von dem opfern, was ihm ursprünglich zustand.
«In deinem Fall war es nicht vorgesehen», hatte die alte Obeah-Frau erklärt, «dass du überlebst. Deshalb hast du keine weiteren Kinder mehr bekommen.»
Baba hatte immer mehr gewollt, als eine höhere Macht ihr augenscheinlich zugestehen wollte. Vielleicht hatte sie sich deshalb nie gegen das Begehren ihres Masters gewehrt. Sie hatte sich sogar extra schön gemacht und damit William Blakes Verlangen geschürt. Insgeheim hatte sie immer gehofft, dass er sie eines
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