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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Verschnürung des braunen Reisekleides zu öffnen, das am Saum schon ganz verstaubt war. Lena schlüpfte aus den Stiefeln und den Strümpfen und wusch sich im weißen Unterkleid notdürftig in einer Schüssel auf der Kommode. Anschließend kroch sie erschöpft unter das dünne Laken. Bevor sie die Kerze löschte, trank sie selbst noch ein großes Glas Limonade und flößte auch Maggie noch etwas davon ein.
    «Danke», sagte die Freundin.
    «Schlaf wohl», erwiderte Lena. «Morgen wird es uns bestimmt schon besser ergehen.»
    Wenige Atemzüge später war Maggies leises Schnarchen zu hören. Lenas letzte Gedanken galten ihrem Vater. Wenn er doch nur hier wäre, um zu beurteilen, ob sie sich richtig entschieden hatte! So kämpften Gefühl und Verstand einen aussichtslosen Kampf in ihrer Brust. Hoffentlich war es kein böser Fehler gewesen, diese Verbindung in Gegenwart ihres Vaters so vorbehaltlos voranzutreiben.
    In ihrer Erinnerung kehrte sie zu jenem Abend bei
Almack’s
zurück, an dem Edward sie so heftig umgarnt hatte. Kein Zweifel, dass er ein Mann mit Erfahrung war, was den Umgang mit Frauen betraf. Immerhin war er schon über dreißig, und sicher hatte er bereits vor ihr einige Liebschaften gehabt. Doch er hatte nie darüber gesprochen. Plötzlich kam ihr ein übler Gedanke. Was wäre, wenn es auf der Insel noch andere Frauen gab, die an ihm interessiert waren, und er sie schon vor der Ehe betrog? Denn wenn sie es recht bedachte, hatte er ihr gegenüber bisher weder von Liebe noch von Treue gesprochen. Andererseits waren das Hirngespinste, die jedes Beweises entbehrten. Hätte er ihr sonst so romantische Briefe geschrieben? Aber irgendetwas hatte ihn schließlich davon abgehalten, sie persönlich am Hafen abzuholen oder wenigstens im Herrenhaus auf ihre Ankunft zu warten. Und wusste der Himmel, warum, Lena fürchtete, dass dieser Grund kein angenehmer sein würde.

    Der Sklavenaufstand in Pigeon Town, gut einen halben Tagesritt südwestlich von Redfield Hall entfernt, war nicht so harmlos verlaufen, wie Edward Blake und seine Verbündeten zunächst angenommen hatten. Ein paar verrückte schwarze Baptistenprediger, aber auch einige ihrer weißen Kollegen hatten bereits vor Wochen unter der schwarzen Bevölkerung das Gerücht verbreitet, die Sklaverei sei im Königreich von Großbritannien und seinen Kolonien längst verboten worden. Ferner hieß es, dass die weißen Pflanzer auf Jamaika den in London beschlossenen
Abolition Act
, der die Freiheit der Sklaven für alle Zeiten garantierte, mit Wissen des Gouverneurs in Spanish Town unterschlagen hätten und so die Gesetzgebung des britischen Parlaments und damit des Königs ignorierten. Daraufhin hatten rebellische Sklaven zahlreiche Pflanzungen in Brand gesteckt und weiße Aufseher angegriffen. Diejenigen, die halbwegs friedlich geblieben waren, hatten unerlaubt ihre Arbeit niedergelegt und sich in ihren Hütten verschanzt.
    Noch am selben Tag war Edwards Vater nach Kingston gereist, um sich als offizieller Vertreter des Parish St. Mary und St. Thomas-in-the-Vale in Fort Charles mit dem Gouverneur und seinen Truppen über die weitere Vorgehensweise zu beraten. Edward hatte sich unterdessen an die Spitze einer kurzerhand zusammengestellten Heimat-Miliz gestellt und mit einer Truppe von aufgebrachten Pflanzern und Aufsehern die Jagd nach den Schuldigen begonnen. Mit fünfzig Mann und ebenso vielen Bluthunden hatten sie das Sklavendorf Pigeon Town jenseits des Magno Rivers gestürmt und alle unwilligen Arbeiter aus ihren Hütten getrieben. Danach hatten sie mit den Bluthunden die Umgebung durchkämmt und die eigentlichen Aufrührer jenseits der abgebrannten Felder aufgespürt.
    Im unruhigen Schein der Fackeln betrachtete Edward nun die blutüberströmten Leiber der erhängten Aufrührer, die leblos an den dicken Ästen der Bäume baumelten. Ihr grausamer Tod sollte den Sklaven eine Warnung sein, damit der Aufstand nicht unvermittelt Zuwachs bekam. Zu diesem Zweck hatte man sie vor den Augen ihrer schwarzen Brüder und Schwestern fast zu Tode gepeitscht und am Ende gehängt.
    Es waren nur zwei, aber auch das erschien Edward schon teuer genug, um ein Exempel zu statuieren, denn immerhin kostete ein einzelner, junger Sklave gut und gerne 140  Pfund. Nach dem offiziellen Verbot des Sklavenhandels im britischen Empire im Jahr 1807 erzielten sie auf dem Sklavenmarkt von Kingston mitunter sogar Preise von bis zu 250  Pfund pro Stück, denn es war schwieriger geworden,

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