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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Ehemannes gestorben war, obwohl sie äußerlich ganz gesund gewesen war. Wieso sollte ihr nicht etwas Vergleichbares gelingen? Mit dem Unterschied, dass es hier nicht um Edward ging, der zusammen mit seinem Vater beruhigenderweise in der Hölle schmorte und ihr somit nicht mehr in die Quere kommen konnte.
    Ihr Kind würde sie ins Paradies mitnehmen, wo sie es gemeinsam mit Jess zur Welt bringen konnte. Auch Maggie würde dort sein, und natürlich würde ihre Mutter bereits auf sie warten. Mit einem kurzen Gebet wendete sie sich an Gott und bat ihn um Entschuldigung dafür, dass sie eigenmächtig Hand an sich anlegte, um die Welt zu verlassen. Danach fiel sie in einen unruhigen Schlaf.

Kapitel 34
    Anfang Januar 1832 // Jamaika // Letzter Wille

    L ena!»
    Eine bekannte Stimme rief ihren Namen, und irgendjemand rüttelte sie unaufhörlich. Ihr Kopf war mit Glasmurmeln gefüllt, die ihr schmerzhaft von innen gegen die Schädeldecke schlugen.
    «Lena! Um Gottes willen, komm zu dir, oder muss ich am Ende den Doktor holen?»
    Flatternd öffneten sich ihre Lider wie von selbst, und sie schaute in die braunen Mausaugen von – Maggie! Wie gewohnt hatte die Freundin das schwarze, gelockte Haar zu einem Knoten aufgesteckt, der wie eine kleine Kanonenkugel auf der Mitte des Scheitels saß. Entgegen ihrer üblichen Gewohnheit trug sie kein graues, sondern ein hellblaues Kleid mit weißen Streifen und weißem Kragen, was ihr außerordentlich gut zu Gesicht stand. Überhaupt sah sie irgendwie verändert aus. Ernster, überlegter, reifer.
    Kein Wunder, dachte Lena, eine längere Zeit im Paradies bringt sicher einschneidende Veränderungen mit sich, nicht nur was das Äußere betrifft.
    «Wo ist Jess?», fragte Lena nervös. «Ist er auch schon hier?»
    «Jess?» Maggie schaute sie stirnrunzelnd an.
    «Jesús.» Lena sprach seinen vollen Namen etwas deutlicher aus. «Er müsste ebenfalls in den Himmel gekommen sein», erklärte sie, als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre, im Jenseits zu erwachen. «Er sollte hingerichtet werden», fügte sie erklärend hinzu. «Leider habe ich keine Ahnung, ob es bereits geschehen ist.»
    Maggie fasste ihr mit höchst besorgter Miene an den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit auf eine Gestalt, die dicht hinter ihr stand.
    «Sie befindet sich anscheinend in einem religiösen Fieberwahn. Dabei ist ihre Stirn ganz kalt.»
    Plötzlich beugte sich jemand über Lena, dessen Gesicht sie nur schemenhaft erkannte.
    «Kind, geht es dir gut? Wir machen uns große Sorgen um dich!»
    «Oh mein Gott, Papa!»
    Lena erkannte die Stimme ihres Vaters sofort.
    «Du bist auch tot? Warum denn nur? Was ist geschehen?»
    Sie war völlig außer sich. Einerseits setzte ihr der Schreck heftig zu, andererseits freute sie sich, ihren Vater endlich wiederzusehen.
    «Du liebe Güte!», rief Maggie und schlug sich mit entsetzter Miene die Hände vor den Mund. «Sie ist verrückt geworden! Was machen wir nur?»
    «Vielleicht ist die Ohnmacht schuld?», sinnierte ihr Vater. «Wenn man bedenkt, was sie in den letzten Wochen und Monaten alles durchmachen musste. Nach allem, was uns die Hausdienerin erzählt hat …»
    «Helena!», rief Maggie nun ein wenig energischer und rüttelte sie derb. «Komm zu dir! Du träumst! Dein Vater ist hier, und ich auch. Nun wird alles wieder gut!»
    Wie durch einen Nebel nahm Lena mit einem Mal ihre Umgebung wahr. Es war helllichter Tag. Sie erkannte ihr Bett und das Zimmer im
King George
, und sie sah Maggie und ihren Vater ganz deutlich vor sich. Aber das alles konnte nicht sein! Falls ihr Vater noch lebte, würde er in London weilen, und Maggie … Maggie war tot?
    «Lena! Ich bin es!», rief diese erneut und wedelte mit dem ihr üblichen Temperament einen Fächer vor ihrer Nase herum. «Erkennst du uns nicht? Ich bin es, Maggie, und das ist dein Vater!», erklärte sie stockend.
    Ohne Rücksicht auf ihren Zustand half ihr jemand in die Vertikale und reichte ihr ein Glas Wasser. Es war tatsächlich ihr Vater! Konsul Johann Friedrich Alexander Huvstedt, wie er leibte und lebte! Sein volles, grau meliertes Haar trug er etwas länger als gewöhnlich, und er hatte sich einen kleinen Schnauzbart wachsen lassen, der ihm leidlich gut zu Gesicht stand. Aber ansonsten war er noch ganz der Alte. Ein stattlicher, respekteinflößender älterer Herr, der im Gehrock wie im Hausmantel stets eine gute Figur machte.
    «Trink das, mein Mädchen», befahl er ihr mit sanftem Nachdruck. «Du

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