Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
Vom Netzwerk:
neben ihr, und schon spürte sie Lady Elisabeths mollige Hand auf der Schulter. «Sie werden diese Verrückte schon schnappen.»
    «Wer in Gottes Namen war das?», stieß Maggie hervor, die sich durch die Menge gekämpft hatte und sich nun ebenfalls zu ihnen stellte.
    Ihr war die Verwirrung über dieses plötzliche Ereignis deutlich anzusehen.
    Lady Elisabeth sammelte sich als Erste.
    «Mit Sicherheit war das keine geplante Hochzeitsüberraschung. Der Sprache nach könnte es eine Sklavin gewesen sein.»
    «Eine Sklavin?» Lena sah sie entrüstet an. «Warum sollte sie so etwas Niederträchtiges über mich sagen? Sie kennt mich doch gar nicht!»
    «Vielleicht hat es etwas mit den Aufständen zu tun, die Edward in letzter Zeit des Öfteren erwähnt hat?», überlegte Maggie, nur um sich gleich darauf selbst die Antwort zu geben. «Wobei es in seinen Schauergeschichten immer nur um entlaufene Sklaven und brennende Plantagen ging. Von fliegenden Hühnern war nie die Rede.»
    Mit einem Seufzer deutete sie auf das tote Tier, das nun unweit des Orchesters am Boden lag und auf Befehl des Gouverneurs einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden sollte.
    «Kopflose fliegende Hühner, wohlgemerkt», fügte Maggie tonlos hinzu.
    «Allem Anschein nach ist es ein Hahn», fügte Lady Elisabeth nüchtern hinzu.
    «Hat das irgendeine Bedeutung?» Maggie sah sie neugierig an.
    «Keine Ahnung», gab Elisabeth nachdenklich zurück. «Ich weiß nur, dass die Neger solche Opfergaben manchmal für etwas benutzen, das sie Obeah-Zauber nennen.»
    «Ich glaube nicht an Zauberei», erklärte Lena unmissverständlich und wandte sich suchend um. «Wo ist Edward überhaupt?»
    Sie hatte noch gesehen, wie er seinem Vater auf die Füße geholfen und sich von seiner Unversehrtheit überzeugt hatte. Danach musste er nach draußen gerannt sein. Er würde vielleicht am ehesten eine Ahnung haben, was hier soeben geschehen war.
    «Wahrscheinlich gibt er Mr. Hanson und seinen Leuten Anweisungen, um nach der Übeltäterin zu suchen», vermutete Lady Elisabeth.
    Unter den noch anwesenden Gästen rumorte es unterdessen, als ob man in ein Hornissennest gestochen hätte. Die Frauen zogen sich ängstlich in den hinteren Teil des Saales zurück, während die Männer zu Degen und Pistolen griffen, sofern sie welche mit sich führten.
    «Aber ganz gleich, was noch folgt», beschied Lady Elisabeth und blickte auf das verwaiste Buffet. «Eine solche Aufregung macht hungrig.»
    Ohne Skrupel begab sie sich zu den ganz in Weiß gekleideten Haussklaven, die ratlos und verunsichert umherschauten, und verlangte die Herausgabe jeglicher Köstlichkeiten, die ihre angespannten Nerven beruhigen würden. Lena hingegen war der Appetit gründlich vergangen. Sie sah, wie Lord William gegen seinen Willen auf eine Chaiselongue gebettet wurde, damit Dr. Lafayette ihn untersuchen konnte. Kurz entschlossen ging sie zu den beiden hin. Lord Williams Gesundheit erschien ihr inzwischen stabil genug, um ihm ein paar Fragen zu stellen.

Kapitel 8
    September 1831 // Jamaika // Obeah- Zauber

    M it ihren fünfzig Sommern war Baba längst nicht mehr die Jüngste. Aber das Leben in den Blue Mountains hatte sie in all den Jahren der Entbehrung zäh gemacht, und so war sie immer noch flink und konnte bei Gefahr wie eine Ferkelratte in jedem sich bietenden Loch verschwinden.
    Im Park hinter dem Herrenhaus wimmelte es bereits von Verfolgern. Auch ein paar Neger waren darunter, aber vor ihnen hatte Baba keine Angst. Geriet sie jedoch in die Hände der Weißen, war sie so gut wie tot, und diesmal würde es endgültig sein.
    Mit Schaudern dachte sie an jene schicksalhafte Nacht zurück, als sie sich im Schlafzimmer von William Blake die Adern mit einer Machete geöffnet hatte. Danach hatte der noch junge Trevor Hanson ihren blutenden, erschlafften Körper in einen dunklen Schuppen geschleppt. Ohne Gnade hatte er sie in ihrem ohnmächtigen Zustand noch einmal vergewaltigt, bevor er sie in den White River geworfen hatte. Sicher in der untrüglichen Absicht, sich die Finger nicht noch schmutziger machen zu müssen und die Entsorgung ihres Kadavers getrost den hungrigen Krokodilen zu überlassen. Im Wasser treibend, hatte sie zwar das Bewusstsein wiedererlangt, war jedoch zu schwach gewesen, um sich aus eigener Kraft ans Ufer zu retten. Dann war ihr endgültig schwarz vor Augen geworden, und sie war sicher, das Reich der Toten betreten zu haben. Eine energische Stimme hatte sie jedoch zu den

Weitere Kostenlose Bücher