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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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schuppige Kopf des Alligators neben Baba auf. Die gelben Schlitze fixierten sie bösartig.
    Fieberhaft dachte sie nach, wie sie dem Tier entkommen könnte. Sie konnte unmöglich aufspringen und wegrennen. Dann würden die Soldaten auf sie schießen!
    «Das ist nur ein Krokodil», kam es vom anderen Ufer, «ich kann es ganz deutlich an seinem schuppigen Rücken erkennen, der aus dem Wasser ragt.»
    Baba bekam unvermittelt eine Mangrovenwurzel zu fassen. Um den Alligator nicht aufzuschrecken, der noch immer reglos im Wasser verharrte, zog sie sich vorsichtig Richtung Ufer. Wie eine Meereskrabbe hangelte sie sich weiter voran, bis das Wasser ihr nur noch bis zur Brust reichte und eine Lücke zwischen den Wurzeln sichtbar wurde. Dort konnte sie ans Ufer kriechen.
    Baba stemmte sich auf die Knie und wollte gerade in gebückter Haltung in den dahinterstehenden Wald laufen, als einer der Hunde lauthals zu bellen begann.
    «Das ist sie!», brüllte einer der Männer übers Ufer. «Das muss die Frau sein, warum sonst wäre sie ins Wasser gegangen?»
    So hastig und unsicher, wie Baba sich nun bewegte, mussten die Soldaten die richtigen Schlüsse ziehen.
    «Ergreift sie!», schrie ein großer blonder Soldat, der sich anschickte, mitsamt seinem Pferd den Fluss zu überqueren.
    Sein grüner Rock verriet, dass er ein Scharfschütze war – so viel hatte sie nach all den Jahren im Schatten der britischen Garnisonen gelernt. Er trug ein Gewehr, und er würde es nutzen. Hinter ihm folgten zwei weitere Reiter sowie eine Horde Bluthunde, die sich jetzt ebenfalls unerschrocken ins Wasser warfen. Es würde nicht lange dauern, bis ihre Verfolger das andere Ufer erreichten. Und ganz gleich, wie schnell sie ihre Beine trugen, Baba hatte kaum eine Chance, ihnen zu entkommen.
    Atemlos kämpfte sie sich durch die ausladenden Bananenstauden mit ihren herunterhängenden, fleischigen Blättern. Immer wieder blickte sie zum Himmel, um sich am Stand der Sonne zu orientieren, die nach dem plötzlichen Gewittersturm mit ihrem gleißenden Licht aus den Wolken hervorbrach. Als Baba den Rand des Feldes erreicht hatte, blieb sie für einen Moment keuchend stehen. Ein kurzes Stück musste sie noch über eine freie Fläche laufen, dann wartete die bewaldete Anhöhe eines Hügels auf sie. Baba hoffte, sich dort im Unterholz verkriechen zu können.
    Das Kleid klebte ihr klatschnass am Körper, der Schweiß lief ihr in Strömen das Gesicht und die Brust hinab, und ihr altes Herz raste vor Anstrengung. Als sie erneut das Bellen der Hunde vernahm, erschrak sie. Ihre geschundenen Füße wollten ihr den Dienst versagen, doch Baba zwang sich trotz der unsäglichen Schmerzen, den Weg über das harte Steppengras fortzusetzen.
    Kaum dass sie am Fuße der rettenden Hügelkette angelangt war, vernahm sie das Getrappel galoppierender Pferde. Wie eine Schlange verkroch sie sich hinter einem umgestürzten Akazienbaum und spähte durch ein Loch in der Rinde. Mit durchnässten Uniformen saßen die Soldaten auf ihren schnellen Rotfüchsen und folgten den Bluthunden, die ihre dicken Nasen unablässig über den Boden schoben. Mal hier, mal da schnüffelnd, suchten sie vergeblich die Spur ihres Opfers. Offenbar hatte der Fluss ihren Geruch verschluckt.
    Als die Männer vorbeigeritten waren, atmete Baba tief durch. Vorsichtig kroch sie weiter durchs Gebüsch und die verschlungene Anhöhe hinauf, bis sie auf einen ausgetretenen Waldweg stieß, der von einer hohen Baumgruppe umgeben war. Dabei schreckte sie ein paar Vögel auf, und sogleich schlugen die Hunde an. Für die Pferde war dieses unebene Terrain schwierig. Aber natürlich konnten die Hunde sie auch hier aufspüren, und die Angst, von ihnen zerfetzt zu werden, nahm mit jedem Schritt weiter zu. Aus Erfahrung wusste sie, dass die weißen Herren es gerne ihren Hunden überließen, flüchtende Sklaven mit schmerzhaften Bissen zu bestrafen. In Babas Fall würden die Soldaten sicher nicht einschreiten, bis die Bestien sie totgebissen hatten.
    Schon hörte Baba ein Rascheln hinter sich, und das bösartige Kläffen kam unaufhaltsam näher. Sie fuhr herum, als eines der Biester mit gefletschten Zähnen zum Sprung ansetzte. Baba glaubte schon, die scharfen Fänge auf ihrer Haut zu spüren, als ein Schuss fiel und das Knurren sich in ein helles Jaulen verwandelte. Völlig überrascht starrte sie auf das am Boden liegende Tier. Jemand hatte es erschossen. Bevor Baba auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte, tauchte ein Reiter auf

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