Flammen der Rache
Und trotzdem war es ihm gelungen. Nach all den vielen Jahren und trotz all der Sicherheitsnetze, die sie gespannt hatte. Es waren nicht genug gewesen, um ihn aufzufangen. Alles vergeblich. Die ganze Mühe. Sie hatte sich wie eine Idiotin abgestrampelt. Oh Gott.
Starks Stimme leierte weiter unverständliche Worte herunter, die Lily nicht verstand. Sie sah die unzähligen Momente vor sich, in denen sie Howard auf dem Boden gefunden und Stunden neben ihm gesessen hatte, bis er endlich aufgewacht war. Sie hatte nach seinem Puls getastet, ihm einen Spiegel vor die Nase gehalten und einzuschätzen versucht, ob es ein normaler Opiumrausch war, aus dem er wieder erwachen würde, oder eine tödliche Überdosis, bevor sie wieder einmal den Krankenwagen gerufen und die kostbare Zeit der Sanitäter verschwendet hatte, ganz zu schweigen von ihrem mageren Haushaltsgeld.
Das ganze verdammte Leben ihres Vaters war ein einziger Selbstmordversuch gewesen.
Und jetzt hatte er es durchgezogen. Dieser selbstsüchtige
Bastard
. Sie wollte schreien, toben, Gegenstände werfen, Dinge zerbrechen. Ihre Brust brannte, ihre Kehle implodierte. Lily fühlte sich dumm. Sie hatte sich wieder einmal zur Närrin gemacht. Ein weiterer kleiner Gag des Schicksals auf Lily Parrs Kosten. Sehr komisch!
Dr. Starks Stimme rückte wieder in ihren Fokus. »… welche Arrangements getroffen werden müssen, darum sollten Sie sich mit unserer Verwaltung in Verbindung setzen …«
»Wie?«, unterbrach sie ihn.
»Äh … was? Sie meinen, wie Sie unsere Verwaltung kontaktieren können?«
»Nein. Ich will wissen, wie er es getan hat. Mit Tabletten? Wie zur Hölle konnte er sie sich bei Ihnen beschaffen? Wofür habe ich Sie eigentlich all die Jahre bezahlt? War er nicht eingeschlossen? Wurde er nicht die ganze Zeit bewacht und beobachtet? War das nicht die Abmachung, die wir getroffen hatten? Ich zahle, Sie behalten ihn im Auge? Welchen Teil dieses Deals haben Sie nicht verstanden?«
Stark zögerte und räusperte sich nervös. »Nun … äh, nein. Es waren keine Tabletten. Glauben Sie mir, Lily, ich bin äußerst beschämt über diese Sache. Wir sind alle völlig schockiert. Keiner kann sich vorstellen, wo er sie herhatte. Er hat offensichtlich irgendwo eine Glasscherbe aufgetrieben, aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie das passieren konnte. Er ist nie rausgegangen, und Sie waren seine einzige Besucherin. Er stand unter konstanter Beobachtung. Es tut mir so leid, Lily, aber er hat die Scherbe benutzt, um sich die Arterie in seinem Handgelenk zu öffnen. Es dauerte vermutlich nur ein paar Minuten …«
»Schwachsinn«, blaffte sie.
Diese Unterbrechung von Starks Monolog ließ ihn in nervöses Gestammel verfallen. »Äh … äh … wie bitte?«
»Ich sagte, das ist Schwachsinn«, wiederholte sie. »Howard hätte sich niemals selbst geschnitten. Nicht in einer Million Jahren. Er hatte panische Angst vor Blut. Beim Anblick von Blut ist er in Ohnmacht gefallen. Howard stand auf Tabletten. Er hätte sich niemals die Handgelenke aufgeschlitzt.«
»Ich verstehe.« Dr. Starks Stimme gewann wieder an Sicherheit. »Nun, es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, Lily, aber er hat es getan. Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Ich habe ihn selbst gesehen.«
Dann wurde er ermordet
. Fast hätte sie es laut ausgesprochen, aber sie beherrschte sich. Howards Worte hallten durch ihren Kopf.
Sie hören zu, Lily. Sie hören immer zu
.
Die Welt um sie herum verschwamm. Lily spürte das Gedränge der Menschen, die auf der Treppe an ihr vorbeigingen, aber sie schienen ganz weit weg zu sein, und die echte Lily war tief in ihrem Innersten verschwunden, hatte sich zurückgezogen in einen Raum atemloser, eisiger Stille.
Wenn ich es dir sagte, würden sie es wissen. Und dann würden sie Jagd auf dich machen. Sie würden uns beide töten
.
Mühsam kämpfte sie sich zurück. Sie zwang ihre Lungen zu atmen, ihre Beine weiterzugehen. Sie versuchte zu verstehen, was Stark sagte, aber es herrschte ein solcher Lärm. Es klingelte in ihren Ohren. Alles war so laut. Sie stolperte auf den Gehsteig. Ihr Autopilot navigierte sie zu Ninas Apartment.
»Wer war die letzte Person, die ihn gesehen hat?«, unterbrach sie das sinnlose Gefasel, das aus dem Handy drang.
Stark gab ein gereiztes Geräusch von sich. Er mochte es nicht, wenn man ihm ins Wort fiel. »Wie ich schon sagte: Die diensthabende Schwester, Miriam Vargas, hat ihn gefunden.«
Die Kälte in ihrem Inneren nahm zu
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