Flammen der Rache
Verbrecher wussten alles über sie. Sie wussten von ihrer besten Freundin. Vermutlich wussten sie von jedem, den sie potenziell um Hilfe bitten könnte. Zu diesem Zeitpunkt waren ihre Möglichkeiten ohnehin jämmerlich begrenzt.
Sie konnte Nina noch nicht mal anrufen, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging. Jede Kontaktaufnahme würde ihre Freundin in noch größere Gefahr bringen. Das Blut auf dem Boden ließ sie an Howards Glasscherbe denken, und ihr Zorn und der Schock wurden verschluckt von dem tiefen Abgrund quälender Trauer.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie in Embryonalhaltung auf dem Boden und rang um Luft. Sie wiegte sich wie ein autistisches Kind vor und zurück. Wie Howard vor jedem neuen Suizidversuch. Also darum hatte er es getan. So hatte es sich für ihn angefühlt.
Lily wusste nicht, wohin der Zug fuhr. Passagiere stiegen ein und aus und gingen um sie herum. Sie wollte aufstehen, aber ihre Muskeln gehorchten ihr nicht. Sie waren vor Angst erstarrt.
Sie hatte Howard immer wieder gescholten, wenn er nicht aufhören konnte, sich obsessiv vor und zurück zu wiegen. Es hatte sie zornig gemacht, denn es war ihr so kindisch, so egozentrisch erschienen.
Aber wenn er einmal damit angefangen hatte, war er unfähig gewesen zu stoppen.
Jetzt kannte sie den Grund.
Oh Dad
. Endlich verstand sie ihn.
4
Portland, Oregon
Sechs Wochen später
Ich muss mich um wichtige Dinge kümmern. Du gehörst nicht dazu
.
Die nonverbale Botschaft der toughen Dunkelhaarigen, die ihm hochmütig den Rücken zukehrte, konnte selbst Bruno nicht missverstehen. Aber weil er nun mal ein kranker, zur Selbstgeißelung neigender Trottel war, landete die Botschaft direkt in seinem Schwanz.
Sie hatte um Viertel vor vier in der Nacht Tonys Diner betreten, aber Bruno hätte schwören können, dass er ihr Kommen schon gefühlt hatte, noch bevor sie draußen ums Eck gebogen und im Licht unter der Markise aufgetaucht war. Er war mehr als bereit für sie, nach den letzten beiden Höllennächten.
Das Schicksal hatte sich gnädig gezeigt. Nach Stunden der Vorahnung hatten sich die Follikel in seiner Haut zusammengezogen, und seine Körperhärchen hatten sich bedingt durch einen sensorischen Stromstoß animalischer Wahrnehmung aufgerichtet. Dann hatte die Glocke über der Tür gebimmelt. Ta-da!
Seine Härchen waren nicht das Einzige, was sich aufrichtete. Zum Glück trug er eine Schürze über seiner Jeans. Als die Frau mit dem schwarzen Pagenschnitt in Tonys Diner stolzierte, vergaßen seine Drüsen, wie fertig er vom Schlafmangel war, und pumpten eine Substanz in seinen Körper, die in ihm den Wunsch weckte, einen Stepptanz wie in einem alten Film aufzuführen. Es war wie ein Rausch, wie das prickelnde Gefühl unendlicher Möglichkeiten in Verbindung mit einem Megaständer. Wie ein gigantisches, ehrfürchtiges Wow, das aus tiefster Seele kam.
Sie hatte sich heute für einen Tisch anstelle des Tresens entschieden. Jede Platzwahl lieferte ihm einen anderen Ausblick auf sie, mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. Er konnte sich noch nicht auf einen Favoriten festlegen. Ihre Rückansicht war hübsch in Bezug auf Beine, Hintern, ihren fein geschwungenen Rücken und den Nacken ihres schlanken, samtigen Halses, zudem konnte er sie problemlos und unverfroren angaffen, während er hinter ihr herumwerkelte. Wenn sie sich an einen Tisch setzte, bekam Bruno sie vorwiegend von vorn zu sehen, allerdings musste er dafür auf alte Tricks aus seiner Jugend zurückgreifen, die er entwickelt hatte, bevor er die Vorteile von verspiegelten Sonnenbrillen für sich entdeckt hatte. Der Trick bestand darin, sämtliche Details mit einem einzigen flüchtigen Blick zu erfassen und die gesammelten Daten anschließend in der Privatheit seiner schmutzigen Fantasie zu studieren. Allerdings reichte ihm bei diesem Mädchen nie ein einziger Blick. Er wollte sich ihr gegenübersetzen und sie mit dem gierigen Blick eines Raubtiers taxieren.
Natürlich würde ihr das überhaupt nicht auffallen. Sie würde vermutlich nicht mal aufsehen. Ihre Konzentrationsfähigkeit war Weltklasse.
Er versuchte noch immer, herauszufinden, was genau ihn so sehr an ihr fesselte. Es war eine knifflige Frage, die eine gründliche Recherche und Analyse erforderte, die seiner Meinung nach am besten im Bett durchgeführt werden sollte. Vielleicht waren es ihre scharfen, hervorstehenden Wangenknochen und die geschwungenen Augenbrauen, vielleicht auch ihre großen, exotisch schrägen
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