Flammen der Rache
Gewalt«, bestätigte Kev mit einem Gefühl absoluter Hilflosigkeit. »Es tut mir so leid. Ich habe es zu verhindern versucht, aber sie haben ihn erwischt. Und ich weiß nicht, wo er jetzt ist.«
Rosa sackte in sich zusammen und fiel vornüber. Kev versuchte, sie aufzufangen, aber er stand nicht richtig. Zum Glück kam ein Mann hinter ihr zu Hilfe, indem er sie unter den Achseln packte und so ihren Sturz verhinderte. Bei Rosas majestätischen Proportionen war das kein einfaches Unterfangen. Zu zweit betteten sie sie auf den Boden. Kev sah auf, um dem Mann zu danken und zu seinen guten Reflexen zu gratulieren.
Doch der Fremde ergriff als Erster das Wort. »Wer hat ihn erwischt?«
Kev erstarrte. Er musterte den Fremden. Er hatte ihn noch nie gesehen. Er war größer und jünger als er selbst, mit verstrubbelten dunklen Haaren und einem Bartschatten. Er hatte ein markantes, intelligentes Gesicht und durchdringende haselnussbraune Augen, die ihn über Rosas zerknautschte, aufgebauschte schwarze Locken hinweg taxierten. Sein Blick verriet, dass er viel zu viel über ihre Privatangelegenheiten wusste. »Wer zur Hölle sind Sie?«
»Detective Sam Petrie. Vom Portland Police Bureau.«
Oh, verdammt
. Kev rutschte das Herz in die Hose. »Und was tun Sie hier?«
Der Blick des Mannes war sehr direkt. »Ich suche Antworten. Nebenbei habe ich auf Ihre Tante aufgepasst. Sie sollte nicht allein reisen.«
»Ach ja?«, zischte Kev durch die Zähne. »Danke für diesen wertvollen Ratschlag. Wie uneigennützig von Ihnen.«
Rosa schlug abrupt die Augen auf und starrte Petrie feindselig an. »Pah! Auf mich aufpassen? Dass ich nicht lache.
Opportunista
.«
Petrie zuckte mit den Schultern. »Sie hat mich im Flugzeug entdeckt. Darum dachte ich mir, ich hätte nichts zu verlieren, wenn ich nach der Landung persönlich mit Ihnen spreche.«
Kev schnaubte. »Ich bezweifle, dass die Stadt Portland ihnen einen Flug quer über den Kontinent spendiert, damit Sie auf meine Tante aufpassen können. Wie haben Sie das eigentlich angestellt? Sind Sie ihr zum Flughafen gefolgt, als sie sich davongeschlichen hat?«
»Ja.« Petrie stemmte Rosa in eine sitzende Haltung hoch. »Das hier ist nicht offiziell. Ich bin auf eigene Kosten geflogen. Dieser Fall lässt mir keine Ruhe. Wenn ich an so einer Sache dran bin, weiß ich nie, wie ich mich davon lösen soll. Darum bin ich ihr gefolgt.«
»Das ist ein Charakterzug, der Sie irgendwann das Leben kosten könnte«, bemerkte Kev.
»Ich weiß«, antwortete Petrie gelassen. »Aber bis dahin mache ich einfach so weiter.«
Sie schätzten sich gegenseitig ab. Als Petrie wieder sprach, war seine Stimme so leise, dass nur Kev die Worte verstand. »Ich will Ihrem Bruder nicht an den Kragen. Er hat mir gesagt, dass er diese Kerle vor dem Diner in Notwehr getötet hat, und ich für meinen Teil glaube ihm. Aber ich will mehr wissen, bevor noch weitere Leichen auftauchen. Falls Bruno ehrlich zu mir war, hat er nichts zu befürchten. Vonseiten des Gesetzes meine ich«, fügte er hinzu.
»Was hoffen Sie, hier zu finden?«
Petrie zuckte die Achseln. »Das weiß ich noch nicht, Ich will einfach mehr erfahren. Ihr Bruder steckt in Schwierigkeiten, nicht wahr? Vielleicht kann ich helfen. Zumindest wäre ich ein Bewaffneter mehr.«
Kev sah den Mann verdattert an. »Die haben Sie mit einer Schusswaffe an Bord gelassen? Trotz des kurzen Vorlaufs?«
»Ich kenne jemanden bei der Flughafenpolizei in Portland«, räumte Petrie offen ein. »Ich habe früher mit ihm gearbeitet. Er hat mich an den Gates vorbei und durch das Büro der Flughafenpolizei geschleust. Ich fürchte, jetzt schulde ich ihm mein erstgeborenes Kind.«
»Das ist Ihr Problem. Niemand hat Sie darum gebeten«, knurrte Kev.
»Da haben Sie nicht ganz unrecht«, pflichtete Petrie ihm seelenruhig bei. Dann wartete er.
Kev räusperte sich. »Na toll«, kommentierte er säuerlich. »Tante Rosa will helfen. Die Polizei will helfen. Alle bedrängen mich damit, helfen zu wollen. So viel Hilfe könnte mein Verderben sein.«
Petrie schaute ihn noch immer unverwandt an. Kev erwiderte seinen Blick und ließ seine Wahrnehmung weich und durchlässig werden. Diesen Trick hatte er sich von Edie abgeschaut. Fast konnte er auf ihren Gehirnwellen mitreiten, wenn sie zeichnete. Er hatte schon immer auf seine Instinkte vertraut, aber seit er Edie kannte, hatten sie sich noch weiter verschärft. Er tastete in dieser anderen Dimension nach dem Profil seines Gegenübers, nach
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